5 Fragen an…

Edith Jeske
Textdichterin, Songtext-Dozentin

Edith Jeske Back- und Steuerbord

 

Erster Tonträger: “No milk today”, Herman’s Hermits

Schon damals nistete bei mir offenbar die kleine Reimpolizei im Kopf: Der Text lautet an einer Stelle: „No milk today is what this message means: the end of all my hopes, the end of all my dreams“. Ich habe jahrelang gehört „the end of all my hopes, the end of all my beans“. Keine Hoffnung mehr und die Bohnen sind alle. „dreams“ als Reimwort kam mir trotz Sinnfälligkeit nicht in den Sinn. Heute bin ich etwas toleranter, zu mir selbst allerdings immer noch kaum.

Erstes Konzert: Ich fürchte, das war “Udo Werners Talentprobe für jedermann” im Tanzbrunnen Köln.

Ein Freund trat dort auf. Da war ich ungefähr 18 (später habe ich das schlimme Ding übrigens mal gewonnen). Mit dem Moment, als ich aus dem Eifeldorf nach Bonn zog, habe ich mehrere Konzerte pro Woche angeschaut, viel deutscher Folk (Liederjan, Schnappsack, Helmut Debus) und Liedermacher/Chanson (Klaus Hoffmann, Maria Bill, Stefanie Werger, Georg Kreisler, Reinhard Mey, Rainhard Fendrich) Alles andere kam sehr viel später. Da lebte ich dann schon in Berlin.

 

1. Wie sind Sie als Urheberin tätig?

Songtexte schreibe ich sowohl im großen als auch im kleinen Recht – bin also unterwegs von Schlager und Pop, Chanson und Comedy bis hin zum Musical / zur Musicalübersetzung (z.B. “High Society” oder “Blondinen bevorzugt”. Ab und zu schreibe ich auch den Songtext für eine Kampagne oder ein Event (z.B. Schiffstaufe). Als Partner habe ich hierbei Komponisten der entsprechenden Genres. Selbst komponiere ich nicht.

2. Womit kann man Ihnen eine Freude machen?

Nein, ich erwähne jetzt nicht vier Katzen auf meinem Schreibtisch (obwohl das stimmt). Richtig glücklich macht mich gute Teamarbeit – wenn alle achtsam, ergebnisorientiert, fair und uneitel miteinander umgehen. Das Höchste für mich ist, wenn ich die Autorenkollegen hemmungslos anbeten kann und die mich ebenso toll finden. Da fühlt selbst härteste Arbeit sich kaum noch wie Arbeit an. Die merkt man erst hinterher daran, dass man zwei Tage durchschläft.
Zweitens glücklich machen kann man mich mit Terminen und Deadlines, die frühzeitig stehen. Zwar bin ich in der Lage, last minute zu arbeiten, wenns die Lage erfordert. Es kickt mich aber nicht. Mehr Zeit heißt für mich: mehr Sorgfalt, mehr Freude an einem guten Ergebnis. Änderungen kann ich allerdings enorm schnell. Darauf (und darauf, dass sich das rumgesprochen hat), bin ich zugegebenermaßen ein kleines bisschen stolz.

3. Was treibt Sie zur Verzweiflung?

Bei der Arbeit: So gut wie nichts. In der großen Politik: Einiges.
Als Urheberin: Die “Berichterstattung” über die GEMA bedient sich nach Belieben aller unfairer oder polemischer Mittel, während die GEMA nicht mit gleicher Münze rausgeben kann, darf und will. Die Presse interessiert sich für den Aufschrei – die Richtigstellungen werden – wenn überhaupt – da ins Layout verfrachtet, wo sie am wenigsten wahrgenommen werden. Ein Kampf mit dauerhaft ungleichen Waffen, und der tut mir weh. Im Popkurs, in der Celler Schule und bei Diskussionen versuche ich das mit guten und sachgerechten Informationen immer wieder auszubügeln. Und ich höre so manches “Ach – SO ist das also!” Steter Tropfen höhlt den Stein, wenn es emsig tropft. Wir bleiben dran.

4. Welchen Ratschlag, welche Regel oder welche Routine befolgen Sie?

Vor der Arbeit an jedem Song stelle ich mir die Frage: Welches Geschenk wird mein Lied dem Publikum machen? Das Publikum ist nicht dafür da, unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Es will mitfühlen oder staunen oder feiern, es will vielleicht einer Geschichte zuhören, ein Geheimnis erspüren, sich überraschen lassen oder in einer Gemeinschaft aufgehoben fühlen, sich identifizieren und vieles mehr. Ein gutes Lied kann und soll möglichst viele Geschenke machen. Außerdem male ich mir aus, wie einzelne Gruppen im Publikum wahrscheinlich reagieren: Frauen oder Männer, ältere oder jüngere Menschen. Denker und Fühler. Wenn ich eine Gruppe brüskiere, um der anderen zu gefallen, dann sollte mir das zumindest bewusst sein.
Ja – und noch was. Ich hab`s von meinem verehrten Freund und großen Kollegen Thomas Woitkewitsch: “Wenn das Publikum sich fragt, wer dem Sänger denn diesen schönen Text geschrieben hat, dann haben wir schon was falsch gemacht.” Will heißen: Text muss (außer bei Musicalsongs) so klingen, als fielen die Worte dem Interpreten gerade eben ein. Diese Unsichtbarkeit auszuhalten, ist nicht immer einfach. Aber jeden Supermarkt und jedes Café betreten zu können, ohne von Autogrammjägern erspäht zu werden, ist auch was wert.

5. Wenn Sie einen Wunsch an die Politik frei hätten, wie würden Sie den folgenden Satz beenden?

Bis zum Ende der Legislaturperiode im September 2017 wünsche ich mir…

… für unsere Berufsgruppe eine Anerkennung, die sich noch deutlicher als bisher in Taten niederschlägt. Eine allgegenwärtige und finanzstarke Lobby können wir nicht vorweisen und werden es auch künftig nicht. Wir können nur darauf bauen, dass unsere Beiträge zu einer vielfältigen, internationalen aber auch eigenen Musikkultur nicht ausgehungert werden. In dem Augenblick, wo ich dies hier schreibe, stehen auf den ersten zehn Plätzen der Popcharts erstmalig ausschließlich deutschsprachige Songs. Viele der Urheber und Interpreten haben ausländische Wurzeln. Hier wachsen Kulturen zusammen. Bitte stützen Sie diese Entwicklung. Deutschland hat es verdient.

 

Foto: Peter Heske

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