Save the Rights! – Dossier Verwertungsgesellschaften

Save the Rights! – Dossier Verwertungsgesellschaften

Am 3. November 2015 hat der Deutsche Kulturrat zum zweiten Mal seit 2008 unter dem Titel „Save the Rights!“ ein eigenes Dossier über die Arbeit der Verwertungsgesellschaften veröffentlicht. Über ihren Auftrag, ihre Rechtsform und ihre praktischen Tätigkeiten ist in der Öffentlichkeit nach wie vor sehr wenig bekannt, Vorurteile und Halbwahrheiten bestimmen die Wahrnehmung. Das Dossier Verwertungsgesellschaften soll das nun ändern. Eingeleitet von einem Rundum- und Ausblick des Bundesjustizministers, aus eigener Sicht erklärt, von der Politik kommentiert und von Urheberrechtsexperten bewertet bis hin zu einer Übersicht der harten Fakten – insgesamt 13 Verwertungsgesellschaften sind in Deutschland als Zweckverbünde der Künstler, Produzenten und Verwerter künstlerischer Leistungen aktiv.

Hier der Link zum gesamten Dossier.

Nachfolgend aus dem Dossier Verwertungsgesellschaften der Beitrag des Vorstandsvorsitzenden der GEMA, Dr. Harald Heker.

The Sound of Music

Musik steht schon immer für ein elementares Lebensgefühl. Die schöpferischen Leistungen, die seit Jahrhunderten Emotionen entstehen lassen, sind in vielen Millionen Werken festgehalten. Jedes Einzelne steht für immaterielle Kreativität und gleichermaßen für einen materiellen Wert. In keiner Epoche haben Komponisten und Textautoren ihren Beruf als bloßen Job verstanden. Sie begreifen – damals wie heute – ihre künstlerische Tätigkeit vielmehr als eine Lebensaufgabe, eine Berufung. Das führt unmittelbar zu der Frage: Wie können Musikschaffende von ihrer Arbeit leben? Wie partizipieren sie an der kreativen Wertschöpfung?

Digitale Technologien haben in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten mit rasantem Tempo neue Dimensionen der Musikverbreitung und des Musikkonsums geformt. In unserer digitalen Welt steht uns Musik in einem nie zuvor da gewesenen Umfang zur Verfügung – in exzellenter Klangqualität, nahezu überall und in jedem Moment. Wer hätte sich vor 15 Jahren auch nur vorstellen können, dass mehr als 1.000 Songs in eine Hosentasche passen können? Inzwischen nutzen über elf Millionen Deutsche Musik-streaming-Angebote und haben Zugriff auf mehrere Millionen Titel. In den kommenden drei Jahren soll sich die Zahl der Nutzer dieser Dienste verdoppeln. Aus Sicht der Urheber klingt das zunächst nach einer positiven Entwicklung. Denn auf diese Weise löst sich etwas ein, was viele Komponisten und Textautoren antreibt: Menschen mit Musik zu erreichen. Damit es weiterhin Räume für diese Kreativität gibt, müssen wir uns um eine faire Beteiligung der Urheberinnen und Urheber an der digitalen Wertschöpfung kümmern. Nur so können wir auch künftig kreatives Musikschaffen von Komponisten und Textdichtern sicherstellen.

Bereits um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert setzte sich Richard Strauss, einer der Gründungsväter der GEMA, öffentlich dafür ein, dass Komponisten und Textdichter von ihrer Arbeit leben können. Gemeinsam mit anderen Komponisten gründete er 1903 eine der Vorläufergesellschaften der GEMA und forderte eine Beteiligung der Urheber an den Einnahmen aus den Aufführungen der Musikwerke. An dem zugrundeliegenden Ziel, die musikalische Schaffenskraft zu erhalten und zu fördern, hat sich über 100 Jahre nach Gründung der Verwertungsgesellschaft nichts geändert. Denn der Schutz der kreativen Leistung des Einzelnen erhält den Wert des schöpferischen Musikschaffens für die Gesellschaft. Das bedeutet zugleich eine Verantwortung der Verwertungsgesellschaft, das Bewusstsein für diesen besonderen Wert des kreativen Schaffens in die Gesellschaft hineinzutragen. Es sollte für alle, die Musik als Lebensgefühl teilen, sie genießen und oder sich einfach nur von ihr begleiten lassen, selbstverständlich sein, dass eine faire und angemessene Vergütung der Urheber für die Nutzung ihrer Werke unerlässlich ist. Die GEMA ermöglicht hier als Verwertungsgesellschaft nicht nur unkomplizierte Musiknutzung, sondern macht es jedem Einzelnen zugleich auch einfach, gegenüber den Urhebern verantwortlich zu handeln.

Aktuelle Herausforderungen

Zu unseren aktuellen Herausforderungen zählen die gerechte Verteilung der Wertschöpfung im Online-Bereich sowie eine länderübergreifende und angemessene Lizenzierung in einem stark fragmentierten europäischen „Digital Single Market“ mit 28 verschiedenen Ländern. Zur Förderung der paneuropäischen Musiklizenzierung hat sich die GEMA bereits im Jahr 2010 gemeinsam mit weiteren europäischen Schwestergesellschaften dafür stark gemacht, das Wahrnehmungsrecht zu harmonisieren. Inzwischen hat das EU-Parlament eine entsprechende Richtlinie verabschiedet und die Mitgliedstaaten beauftragt, diese bis April 2016 in nationales Recht umzusetzen. Der Entwurf eines dann neuen Verwertungsgesellschaftengesetzes (VGG) liegt bereits vor und löst nicht nur das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz ab. Es definiert vielmehr unseren Rechtsrahmen völlig neu und schafft vereinfachte Rahmenbedingungen für paneuropäische Lizenzierungen.

Die Vereinfachung der grenzüberschreitenden Lizenzierung ist von entscheidender Bedeutung, um den digitalen Binnenmarkt für kreative Inhalte weiterzuentwickeln. Verwertungsgesellschaften wie die GEMA bieten bereits europaweite Lizenzen für ihr eigenes Repertoire an, darüber hinaus lizenzieren wir im Online-Bereich wichtige anglo-amerikanische Rechtekataloge für Europa und weitere Länder weltweit.

Lösungen für einen fragmentierten Musikmarkt

Jetzt geht es um Modelle, bei denen alle beteiligten Partner ihre Kooperations- und Innovationsfähigkeit unter Beweis stellen, um Lösungen im Sinne der Urheber zu entwickeln. Gemeinsam mit unseren Schwestergesellschaften in Schweden und Großbritannien haben wir bereits vor Jahren damit begonnen, Lösungen für den fragmentierten Musikmarkt zu entwickeln. Aus diesem Schulterschluss ist ein Joint Venture für ein erstes voll integriertes Lizenz- und Verarbeitungszentrum für den paneuropäischen Musikmarkt entstanden – getragen durch die Verwertungsgesellschaften GEMA, STIM und PRS for Music. Im Juni 2015 wurde uns die kartellrechtliche Genehmigung der Europäischen Kommission erteilt. Seitdem ist die GEMA offiziell Gesellschafterin von „ICE Co-pyright Enterprises“.

Auf der Grundlage einer zentralen, länderübergreifenden Datenbank haben wir eine Lizenz- und Verarbeitungsstelle aufgebaut, in der die verschiedenen Musikrepertoires zusammenfließen und mit modernen Prozessen zum Rechtemanagement bearbeitet werden. Wir werden künftig in der Lage sein, ein großes, paneuropäisches Rechtebündel aus einer Hand anzubieten und eine deutlich schnellere, effizientere Lizenzverarbeitung und Abrechnung zu gewährleisten. Das Angebot richtet sich an alle europaweit agierenden digitalen Musikdienste, die Lizenzrechte erwerben möchten sowie an Verleger und Verwertungsgesellschaften, die entweder das gesamte Servicepaket einschließlich der Lizenzierung oder individuelle Back-Office-Services nutzen wollen. Da es auch kleinere Repertoires für die grenzüberschreitende Nutzung zugänglich macht, ist ICE ein wichtiger Beitrag, um die kulturelle Vielfalt im Online-Bereich sicherzustellen. Selbstverständlich entspricht es den Transparenzzielen, die die EU-Richtlinie für die kollektive Wahrnehmung vorsieht.

Meilenstein für Internationale Kooperation

Der Zusammenschluss ist das erste Angebot dieser Art und markiert einen Meilenstein für die internationale Kooperation zwischen den Verwertungsgesellschaften. Musik übernimmt bei der Entwicklung eines digitalen Binnenmarkts in Europa eine Vorreiterrolle. In der Europäischen Union stehen den Verbrauchern heute mehr legale Online-Dienste zur Verfügung als beispielsweise in den USA – eine positive Tendenz. Dass mit kreativen Inhalten in der digitalen Welt eine erhebliche Wertschöpfung erzielt wird, ist nicht zu beanstanden. Dass die Urheber dieser kreativen Inhalte nicht an den damit erwirtschafteten Gewinnen beteiligt werden, aber zweifellos schon. Kulturelle Inhalte wie Musik verleihen vielen großen Online-Plattformen überhaupt erst ihre Attraktivität. Von ihrer Nutzung profitieren wirtschaftlich allerdings bislang vor allem deren Betreiber und nur selten die eigentlichen Urheber. Von einer gerechten Verteilung können wir hier also nicht sprechen. Stattdessen werden Gewinne mit dem Zugänglichmachen und der Vermarktung von urheberrechtlich geschützten Inhalten – überwiegend musikalische Werke – auf Kosten der Urheber maximiert. Gleichzeitig treten diese Plattformbetreiber in Konkurrenz zu lizenzierten Inhalteanbietern, wodurch die weitere Entwicklung eines von kultureller Vielfalt und fairem Wettbewerb geprägten digitalen Binnenmarkts für kreative Inhalte erheblich unterlaufen wird.

Die Europäische Kommission hat dieses Problem im Rahmen der von Kommissar Günther Oettinger vorgestellten Strategie für einen digitalen Binnenmarkt zutreffend als „transfer of value“ bezeichnet – den Wertetransfer von Kreativschaffenden zu Plattformbetreibern.

Die angekündigte Modernisierung des EU-Urheberrechts soll nun eine Vielzahl von Maßnahmen enthalten, welche einerseits den grenzüberschreitenden Zugang zu kreativen Inhalten für Musiknutzer verbessern und andererseits eine faire Vergütung der Urheber sicherstellen. Auch die Regeln für Online-Vermittler, so genannte Intermediäre, in Bezug auf urheberrechtlich geschützte Inhalte sollen klargestellt werden.

Wir begrüßen die Vorschläge der Kommission. Zumal sich diese Diskussionen inhaltlich mit der gegenwärtigen Änderung des Telemediengesetzes und der Frage nach der Haftung von Host-Providern überschneiden. Im Kern geht es in beiden Fällen um dieselbe Fragestellung: Welche Regelungen müssen getroffen werden, damit Host-Provider, die an der Vermarktung und Verwertung kreativer Inhalte wirtschaftlich partizipieren, zukünftig auch die Urheber angemessen vergüten? Denn für viele dieser Dienste steht nicht mehr das Vermieten von Speicherplatz im Vordergrund. Es geht um die wirtschaftliche Verwertung von eingestellten Inhalten, wobei Urheberrechtsverletzungen billigend in Kauf genommen werden. Diese Schieflage zu Lasten unserer Mitglieder können wir nicht akzeptieren. Im Rahmen der Novellierung des Telemediengesetzes haben wir daher eine Anpassung der überholten Regelungen gefordert.

Wir hoffen, dass die Politik in Berlin und Brüssel die Chance nutzt, mit zukunftsweisenden Lösungen den Wertetransfer von Kreativschaffenden zu Plattformbetreibern zu stoppen und das Potenzial der Kultur- und Kreativwirtschaft für Wachstum und Arbeitsplätze in Europa voll auszuschöpfen. Die kollektive Rechtewahrnehmung der GEMA verleiht dem einzelnen Urheber eine starke Stimme im Diskurs um zukunftsfähige Nutzungsmodelle mit der Digitalindustrie.

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