Im Dezember 2016 wurden die Beratungen im Deutschen Bundestag zur Verlegerbeteiligung im Rahmen des Entwurfs eines “Gesetzes zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung”, Drucksache 18/8625 abgeschlossen.
Mit der Zustimmung des Bundesrats wurde das Gesetz am 20. Dezember 2016 ausgefertigt und am 23.12.2016 im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2016 Teil I Nr. 63 veröffentlicht.
Hier finden Sie einen Auszug der für die Urheberinnen und Urheber relevanten Änderungen:
“Artikel 2 – Änderung des Verwertungsgesellschaftengesetzes – Das Verwertungsgesellschaftengesetz vom 24. Mai 2016 (BGBl. I Seite 1190) wird wie folgt geändert:
1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabezu § 27 folgende Angabe eingefügt:
„§ 27a Einnahmen aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen des Urhebers“.
a) Der Wortlaut wird Absatz 1.
b) Folgender Absatz 2 wird angefügt:
„§ 27a Einnahmen aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen des Urhebers
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 13.12.2016
Plenarprotokoll 18/209 der Sitzung vom 15. Dezember 2016, Aussprache Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung Drucksache 18/8625, Zusatztagesordnungspunkte 5 a und b, Seite 20969 B ff.
WORUM GIng ES im Detail?
Seit mehr als 100 Jahren vertreten Verwertungsgesellschaften in ganz Europa die Verwertungsinteressen von Musikurhebern und Musikverlegern gemeinschaftlich. Diese gemeinsame Vertretung von Verlegern und Urhebern geht auf die frühe Erkenntnis zurück, dass zu den zentralen Aufgaben einer effektiven kollektiven Rechtewahrnehmung nicht nur die Bündelung von Rechten gehört, sondern auch der Ausgleich unterschiedlicher Interessen unter den Rechteinhabern – wie zum Beispiel zwischen Verlegern und Urhebern.
Zu diesen Ausgleichsmechanismen gehört zum Beispiel, dass die Beteiligung von Verlegern an den Einnahmen der Verwertungsgesellschaft nach festen, von der Mitgliederversammlung beschlossenen und rechtlich auf ihre Angemessenheit und Willkürfreiheit überprüfbaren Quoten erfolgt. Diese Quote liegt bei der GEMA je nach Nutzungsbereich bei maximal 40 Prozent. Bei einer individuell zwischen Urheber und Verleger ausgehandelten Beteiligung hinge das Ergebnis hingegen stark von der individuellen Verhandlungsstärke ab und würde gerade weniger bekannte Urheber erheblich schlechter stellen.
Der Erfolg von Verwertungsgesellschaften im Bereich der Musikurheberrechte ist entscheidend auf die gemeinsame Rechtewahrnehmung von Urhebern und Verlegern zurückzuführen. Die Wahrnehmung von Musikurheberrechten wird ganz wesentlich dadurch geprägt, dass die Verwertung der Primärrechte – zum Beispiel durch die Lizenzierung von Tonträgerherstellern, Konzertveranstaltern, Rundfunksendern oder Online-Diensten – anders als in anderen Nutzungsbereichen nicht über Verlage und sonstige Verwerter, sondern kollektiv durch Verwertungsgesellschaften erfolgt. Während die Nutzungsrechte an den geschützten Werken beispielsweise im Printbereich oder auch im anglo-amerikanischen Musikverlagssystem dem Verlag übertragen und von diesem ausgewertet werden, werden sie hier regelmäßig direkt in die Verwertungsgesellschaft eingebracht. Nur weil Urheber und Verleger die kollektive Rechtewahrnehmung gemeinsam betreiben, kann es gelingen, eine Vielzahl der relevanten Nutzungsrechte für Musiknutzungen in einer Verwertungsgesellschaft zu bündeln.
Der Verleger erhält nach diesem System als Gegenleistung für seine verlegerische Tätigkeit einen Anspruch auf anteilige Beteiligung an den Einnahmen der Verwertungsgesellschaft. Dieser Auszahlungsanspruch ist seine wesentliche Einnahmequelle. Ein eigenes Leistungsschutzrecht gewährt die Rechtsordnung dem Musikverleger – anders als beispielsweise dem Film- oder Tonträgerproduzenten – nicht, gerade weil seine wirtschaftliche Investition in der Regel durch die Teilabtretung des Auszahlungsanspruchs in den Verlagsverträgen abgesichert ist. Aus Sicht des Urhebers hat dieses System den großen Vorteil, dass er seine Nutzungsrechte nicht an den Verleger übertragen muss, sondern sie direkt in die Verwertungsgesellschaft einbringt, wo Dauer und Umfang der Rechtewahrnehmung weiterhin seiner Kontrolle unterliegen. Daher ist auch aus Sicht der meisten Urheber die gemeinsame Wahrnehmung von Rechten durch Verwertungsgesellschaften gegenüber einer Rechteübertragung an Verleger und andere Verwerter mit kommerziellen Interessen vorzugswürdig.
Das Vorstehende gilt sowohl im Bereich der ausschließlichen Nutzungsrechte, als auch im Bereich der gesetzlichen Vergütungsansprüche, wie beispielsweise der Privatkopievergütung, die allerdings für den Tätigkeitsbereich der GEMA nur eine vergleichsweise untergeordnete Bedeutung hat.
Ausschließliche Nutzungsrechte
Die GEMA beteiligt die Verlage nicht pauschal an der Verteilung, sondern nur an Ausschüttungen auf diejenigen Werke, für die der Urheber dem Verlag im Rahmen eines Verlagsvertrags die Beteiligung eingeräumt hat. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs stellt jedoch auch diese Praxis in Frage, indem sie nahezulegen scheint, dass Ausschüttungen grundsätzlich nur an denjenigen erfolgen dürfen, der die entsprechenden Nutzungsrechte in die Verwertungsgesellschaft eingebracht hat. Da dies je nach Priorität der Abtretungserklärungen aus Verlags- bzw. Wahrnehmungsvertrag jeweils nur entweder der Verleger oder der Urheber sein kann, wäre das bewährte und in der gesamten Welt gebräuchliche System der gemeinsamen, anteiligen Beteiligung von Urhebern und Verlegern an den Einnahmen aus der Nutzung von Musikurheberrechten hinfällig.
Eine solche Radikallösung nach dem „Alles oder Nichts-Prinzip“ gefährdet jedoch nicht nur die Verwertungsgesellschaften in ihrer Struktur und Existenz, sondern wäre auch für die in ihr organisierten Urheber fatal. Um sich auch in Zukunft eine Gegenleistung für ihre verlegerische Tätigkeit zu sichern, würde ein Verleger nur noch im Gegenzug für die Einräumung von Nutzungsrechten tätig werden. Dies bedeutet, dass die Urheber ihre Rechte nicht mehr vorab an die Verwertungsgesellschaften abtreten könnten, sondern sie dem Verlag einräumen müssten, der sie dann entweder selbst wahrnehmen oder in die Verwertungsgesellschaft einbringen könnte – und damit 100 Prozent der Ausschüttungen erhalten müsste. Diese Situation ist im Bereich der US-amerikanischen Verwertungsgesellschaften bereits Realität, mit dem Ergebnis, dass dort die Urheber keinerlei Zugriff auf ihre eigenen Nutzungsrechte mehr genießen, sondern die gesamte Kontrolle über die Nutzungsrechte von den (Major-)Verlagen ausgeübt wird. Es sind im Kreise der GEMA-Mitglieder gerade die Komponisten und Textdichter, die eine solche Entwicklung am meisten fürchten.
Gesetzliche Vergütungsansprüche
Darüber hinaus schafft jedoch auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Bereich der gesetzlichen Vergütungsansprüche gravierende Probleme für die Verteilungspraxis der GEMA. In der Praxis gestaltet sich die Beteiligung von Verlegern an den Einnahmen aus der Werkauswertung wie folgt: Nach Schaffung des Werkes unterzeichnet der Urheber einen Verlagsvertrag, in dem auch die Beteiligung des Verlages an den Einnahmen aus der kollektiven Rechtewahrnehmung geregelt ist. Sodann wird das Werk – zumeist durch den Verleger – bei der GEMA als verlegt angemeldet und mit den entsprechenden Beteiligungsquoten registriert. Für die GEMA ist es insoweit wichtig, dass die Werke noch vor der Veröffentlichung bei ihr angemeldet werden, um die Erstverwertungsrechte ohne Zeitverzögerung wahrnehmen zu können. Alle am Werk Beteiligten erhalten von der GEMA eine Bestätigung und haben die Möglichkeit, der Registrierung und namentlich der Verlegerbeteiligung zu widersprechen oder durch Schweigen ihre konkludente Zustimmung zu erklären. Erfolgt kein Widerspruch, werden die Berechtigten entsprechend der Anmeldung an den Ausschüttungen der GEMA beteiligt. Eine Anknüpfung der Abtretbarkeit an ein späteres Datum, wie zum Beispiel die Veröffentlichung des Werkes, wäre für die GEMA praktisch nicht handhabbar. Anders als etwa im Buchbereich, wo die Veröffentlichung regelmäßig mit dem Erscheinen der Printausgabe zusammenfällt und daher leicht datierbar ist, können Musikwerke auf höchst vielfältige Weise veröffentlicht werden – etwa durch Aufführung, durch das Hochladen auf einer Website, durch Vervielfältigung auf Tonträgern – ohne dass dies mit vertretbarem Aufwand verifizierbar wäre.
Dabei bliebe das Anknüpfen für eine Abtretbarkeit an die Veröffentlichung auch hinter der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zurück. In seiner Entscheidung gegen die VG Wort hat der Bundesgerichthof lediglich geurteilt, dass eine Abtretung nach der Veröffentlichung zulässig sei, hatte die Veröffentlichung aber nicht zum frühesten Zeitpunkt bestimmt. In der Entscheidung „Porträtkunst“ aus dem Jahr 2014 (Az. I ZR 35/13) urteilte der Bundesgerichtshof bereits, dass der gesetzliche Vergütungsanspruch aus der Speichermedien- und Geräteabgabe mit der Schöpfung entstehe, so dass er in der Logik des Urteils gegen die VG Wort bereits zu diesem Zeitpunkt abtretbar wäre.
Die Praxis einer Beteiligung auf Basis der Werkanmeldung hat sich in der Vergangenheit bewährt und gibt den Urhebern die Möglichkeit, selbst bis zum Moment der Werkregistrierung die Kontrolle über die Ausschüttung an Verleger zu behalten. Allerdings wird dieses Wahlrecht für ausschließliche Nutzungsrechte und gesetzliche Vergütungsansprüche pro Werk einheitlich ausgeübt, das heißt, der Autor entscheidet den Verleger entweder an allen oder keinen Ausschüttungen zu beteiligen. Demgegenüber wäre es mit ganz erheblichem administrativem Aufwand verbunden, wenn die GEMA hinsichtlich der Verlegerbeteiligung eine werkbezogene Differenzierung zwischen den Einnahmen aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen einerseits und Ausschließlichkeitsrechten andererseits vornehmen müsste.
Dieser Aufwand würde sich noch massiv erhöhen, wenn die Frage der Verlegerbeteiligung an den Einnahmen aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen erst nach Veröffentlichung des Werks durch eine gesonderte Abtretungserklärung geregelt werden könnte. Die GEMA müsste in diesem Fall bei jedem angemeldeten Werk damit rechnen, dass die regelmäßig bereits vor Veröffentlichung erfolgte Registrierung der Beteiligungen zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt korrigiert werden müsste. Bei ca. 1,25 Mio. Werkanmeldungen im Jahr, die die GEMA 2015 bearbeitet hat, wäre dies mit enormen Kosten verbunden.
Ohne die Möglichkeit zu einem gewissen Maß an Pauschalierung droht die Gefahr, dass die Verwaltungskosten der GEMA die vergleichsweise geringen Erträge aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen in diesem Bereich vollkommen „auffressen“. Auch für die Berechtigten erscheint es unverhältnismäßig, für einen Anteil von 3-5 Prozent der Gesamtausschüttung – und damit bei vielen Berechtigten für nicht mehr als ein paar Euro im Jahr – ein aufwändiges gesondertes Anmeldeverfahren zu durchlaufen.
Erstens müsste im unlängst verabschiedeten VGG klargestellt werden, dass Einnahmen der Verwertungsgesellschaften zwischen werkbeteiligten Urhebern und Verlegern unabhängig vom Rechtefluss, das heißt unabhängig davon, wer im konkreten Fall die Rechte eingebracht hat, nach festen Quoten aufgeteilt werden können. Unionsrechtliche Hindernisse stehen einer solchen Regelung nicht entgegen. Vielmehr geht die Verwertungsgesellschaftsrichtlinie selbst davon aus, dass Verlage aufgrund von Verlagsverträgen ausschüttungsberechtigt sein können. Entsprechende Regelungen finden sich zum Beispiel in § 34 des neuen österreichischen Verwertungsgesellschaftengesetzes.
Zweitens müsste im VGG und im UrhG klargestellt werden, dass an Erträgen aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen auch Verleger beteiligt werden können. Dabei besteht im zweiten Punkt die Komplikation, dass der Bundesgerichtshof die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes so auslegt, dass ein Vorausabtretungsverbot für sämtliche gesetzliche Vergütungsansprüche bestehen soll. In einer derartigen Interpretation der europäischen Rechtsprechungspraxis steht der BGH in ganz Europa alleine. Weder hat der Europäische Gerichtshof dies bislang für den Bereich der Privatkopievergütung entschieden, noch hat er sich überhaupt zu der Frage der Aufteilung von Einnahmen aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen für den Verleih von Werkstücken durch Bibliotheken geäußert. Insofern sollte der deutsche Gesetzgeber im Sinne einer Übergangslösung rasch klarstellen, dass zumindest in dem vom BGH andeutungsweise für möglich gehaltenen Fall einer Abtretung des Vergütungsanspruchs nach Schaffung des Werkes eine Beteiligung des Verlages möglich bleibt. Parallel dazu sollte die deutsche Bundesregierung sich in Brüssel für eine Revision der InfoSoc-Richtline und der Richtline über das Vermiet- und Verleihrecht stark machen, um dort klarzustellen, dass die Interpretation des Bundesgerichtshofs nicht im Einklang mit der Regelung der Richtlinie steht.
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 13.12.2016
Plenarprotokoll 18/209 der Sitzung vom 15. Dezember 2016, Aussprache Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung Drucksache 18/8625, Zusatztagesordnungspunkte 5 a und b, Seite 20969 B ff.