Worum geht es?
Werden Hörfunk- oder Fernsehsignale zeitgleich, vollständig und unverändert durch Dritte weitergesendet und die dadurch in den Programmen enthaltenen schöpferischen Leistungen gegenüber dem primär Sendenden nochmals, also „zweit-“verwertet, spricht man von Kabelweitersendung.
Dafür wird eine Vergütung an Verwertungsgesellschaften gezahlt. Sowohl Urheber als auch Sendeunternehmen bekommen davon etwas ab: die Urheber aufgrund ihrer Urheberrechte, die Sender aufgrund ihrer Leistungsschutzrechte.
Das Recht der Kabelweitersendung ist in § 20 b UrhG geregelt. Das Kabelweitersendungsrecht nach § 20 b Abs. 1 UrhG kann grundsätzlich nur über eine Verwertungsgesellschaft ausgeübt werden, soweit nicht ein Sendeunternehmen diese Rechte für seine eigenen Sendungen geltend macht.
Was sagt der Koalitionsvertrag dazu?
Zur Kabelweitersendung heißt es im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD:
Geprüft werden soll zudem, wie urheberrechtlich sichergestellt werden kann, dass Technologiebrüche bei der Weiterversendung von Rundfunksignalen vermieden werden können.
Rechtliche Grundlagen zur Lizenzierung von Kabelweitersendehandlungen
Kulturpolitische Überlegungen
Bei der Umsetzung der Richtlinienvorgaben waren insbesondere kulturpolitische Erwägungen des Gesetzgebers maßgeblich, „weil kulturelles Schaffen nur dort erwartet werden kann, wo es sich auch wirtschaftlich lohnt; zum anderen beruht er auf der Verpflichtung, dem Gerechtigkeitsgedanken des Urheberrechts zu entsprechen, welches dem Urheber die aus seiner schöpferischen Leistung fließenden vermögenswerten Ergebnisse als “geistiges Eigentum” im Sinne von Artikel 14 GG umfassend und zur ausschließlichen Verfügung zuordnet“ (BT-Dr. 13/4796, S. 10, linke Spalte). Ferner konstatierte der Gesetzgeber, durch immer neue Techniken der Werkreproduktion und -wiedergabe entgleite dem Urheber zunehmend die Kontrolle über die Nutzungen seines Werkes als immateriellem Gut und gerate seine vertraglich erzielbare Vergütung – nicht zuletzt wegen der wirtschaftlichen Macht seiner Vertragspartner – in ein Missverhältnis zum Umfang der durch die Rechteeinräumung ermöglichten Werknutzung (BT-Dr. 13/4796, S. 10, linke Spalte unten/rechte Spalte oben).
Angemessene Teilhabe der Rechteinhaber
Die Regelungen des § 20 b UrhG dienen also dazu, eine angemessene Teilhabe der Rechteinhaber bei der Zweitverwertung ihrer Werke im Rahmen der Kabelweitersendung sicherzustellen. Insofern sind auch die Aspekte der Gebührenfinanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einerseits und die Frage der urheberrechtlichen Abgeltung von Ansprüchen aus Kabelweitersendung andererseits getrennt voneinander zu betrachten. Bei der Kabelweitersendung sind neben den Rechten von Sendeunternehmen die Rechte von einer Vielzahl von Urhebern betroffen, wie z.B. Komponisten und Textdichter von Musikwerken, Wortautoren, Urheber der bildenden Künste, Filmschaffende wie Drehbuchautoren oder auch ausübende Künstler.
Urheberrechtliche Bedeutung
Vorschläge der GEMA
Die GEMA hat die vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in der zurückliegenden Legislaturperiode ursprünglich vorgeschlagene technologieneutrale Ausgestaltung des § 20 b UrhG ausdrücklich befürwortet und empfiehlt aus folgenden Gründen auch weiterhin eine entsprechende Anpassung:
Die fortschreitende technische Konvergenz der Übertragungswege eröffnet neben den Betreibern klassischer Breitbandkabelnetze neuen Marktteilnehmern die Möglichkeit, im Rahmen vergleichbarer Geschäftsmodelle sowohl kabelgebunden als auch kabellos Fernseh- und Hörfunkprogramme integral, d. h. zeitgleich, vollständig und unverändert, weiterzusenden. Die angestrebte funktionale Gleichstellung aller Sachverhalte der Weitersendung, die mit dem Betrieb eines Breitbandkabelnetzes vergleichbar sind, schafft gleichermaßen für Rechteinhaber wie für alle Marktteilnehmer Rechtssicherheit. Zum einen wird mit der Ausweitung der Verwertungsgesellschafts-pflichtigkeit sichergestellt, dass die Urheber und Leistungsschutzberechtigten an den Zweitverwertungserlösen aller Weitersendeplattformen angemessen partizipieren. Zum anderen werden neue Marktteilnehmer mit den Anbietern traditioneller Weitersendetechnologien gleichgestellt und profitieren wie diese gleichermaßen von einer weitestgehend gebündelten Rechtelizenzierung. Damit entfällt zudem der Einwand einer Besser- oder Schlechterstellung der einen technischen Infrastruktur gegenüber der anderen.
Aktuelle Rechtslage
Von der aktuell nicht eindeutig geklärten Rechtslage betroffen sind somit insbesondere Angebote wie von „Zattoo“, bei denen Fernseh- und Hörfunkprogramme über das „offene Internet“ zeitgleich, vollständig und unverändert weitergesendet werden oder von Telekommunikationsanbietern, die ihren Mobilfunkkunden ebenfalls Fernsehprogramme zugänglich machen wollen und aufgrund der kabellosen Weitersendung nicht zweifelsfrei dem Anwendungsbereich des § 20 b UrhG unterfallen. Aufgrund dessen sind diese Anbieter anders als die klassischen Breitbandkabelnetzbetreiber Einschränkungen unterworfen, die den rechtssicheren Betrieb des Angebots in Frage stellen können, weil sie sich weiterhin der Ausübung des Verbotsrechts durch einzelne Rechteinhaber ausgesetzt sehen können.
Dass es sich hierbei nicht nur um ein theoretisches Problem, sondern um ein realistisches Szenario handelt, zeigt die Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 8. April 2009 (Az. 308 O 660/08, veröffentlicht in ZUM 2009, 582). In diesem Verfahren haben zwei namhafte Hollywood-Studios ein Urteil gegen den Anbieter „Zattoo“ erwirkt. Dies geschah der Tatsache zum Trotz, dass alle inländischen Verwertungsgesellschaften und alle betroffenen Sendeunternehmen den Dienst als Kabelweitersendung ansehen. In der Folge der einstweiligen Verfügung haben sodann mehrere private Sender ihre TV-Programme aus dem Angebot des Diensteanbieters entfernen lassen, weil sie befürchteten, von Dritten wegen Urheberrechtsverletzungen in Anspruch genommen zu werden. Zugleich hat auch die Verwertungsgesellschaft AGICOA-Deutschland, welche vor allem Kabelweitersenderechte US-amerikanischer Filmproduzenten vertritt, der GEMA mittlerweile untersagt, Lizenzen – bezogen auf das von der AGICOA-Deutschland wahrgenommene Repertoire der US-Filmstudios – für diesen Diensteanbieter zu erteilen. Es treten dadurch also genau die Folgen ein, die abzuwenden das ursprüngliche gesetzgeberische Ziel bei der Einführung des § 20 b UrhG gewesen ist:
- Für einen Großteil der Rechteinhaber, deren Ansprüche im bisherigen Anwendungsbereich der Kabelweitersendung von Verwertungsgesellschaften wahrgenommen werden, ist eine individuelle Geltendmachung ihrer Ansprüche bei den beschriebenen neuen Geschäftsmodellen mangels einer starken Verhandlungsposition wenig aussichtsreich. Im Ergebnis wird so der Urheber an den im Vergleich zur Erstverwertung auch hier zusätzlich generierten wirtschaftlichen Vorteilen nicht angemessen beteiligt.
- Umgekehrt werden die Anbieter neuer Technologien durch eine fehlende gebündelte Rechtewahrnehmung gegenüber den Anbietern traditioneller Weitersendetechnologien faktisch behindert.
- Dies trifft wiederum den Endverbraucher, dem dadurch trotz eines medienkonvergenten Umfelds der Zugang zur bestehenden Angebotsvielfalt von Fernseh- und Hörfunkprogrammen verschlossen wird (unabhängig von der technischen Art der Weiterverbreitung).
Um im Gesetz selbst noch deutlicher abzubilden, dass die veränderte Marktsituation gesetzlich erfasst werden soll, regt die GEMA an, die vorgeschlagene technologieneutrale Legaldefinition auch ergänzend in der einheitlichen Verwendung des Begriffs der „Weitersendung“ statt wie bisher „Kabelweitersendung“ fortzuführen. Zudem sollte in § 20 b Abs. 2 Satz 1 der Begriff „Kabelunternehmen“ durch „weitersendendes Unternehmen“ ersetzt werden, um sicherzustellen, dass sich die Vergütungsregelung des § 20 b Abs. 2 UrhG auch einheitlich auf sämtliche Betreiber von Infrastrukturen erstreckt, die durch die technologieneutrale Ausgestaltung des § 20 b UrhG erfasst werden sollen.
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