In der digitalen Welt wird heute mit kreativen Inhalten eine erhebliche Wertschöpfung erzielt. Wirtschaftlich profitieren bisher vor allem Plattformbetreiber, die sich unter Berufung auf Haftungsprivilegierungen, sog. Safe Harbours, ihrer Verantwortung entziehen, Kreative und ihre Partner angemessen für die Nutzung ihrer Werke zu vergüten. Dies schadet nicht nur allen Rechteinhabern, sondern verzerrt auch den Wettbewerb mit den zahlreichen lizenzierten Anbietern von digitalen Inhalten. Die anstehende Modernisierung des EU-Urheberrechts stellt eine Chance dar, diese als Value Gap oder Transfer of Value bezeichnete Fehlentwicklung zu korrigieren und gleiche Spielregeln (“level playing field“) für die Anbieter von kreativen Inhalten im Online-Bereich schaffen.
Lizenzierte Content Provider vs. Plattformbetreiber
Kreative Inhalte sind ein Motor für neue Geschäftsmodelle und Innovationen im Online-Bereich. Verbrauchern steht heute ein größeres und vielfältigeres Angebot an legalen Online-Diensten zur Verfügung als je zuvor. Mit dem Wachstum und der Entwicklung des Marktes kam es in den letzten zehn Jahren jedoch zu einer zunehmenden Spaltung bei den Diensten. Streaming-Diensten wie Spotify, Deezer oder Apple Music, die Lizenzen für die Inhalte erwerben (Content Provider), stehen dabei sog. „User Uploaded Content“-Plattformen wie YouTube, Soundcloud oder Dailymotion gegenüber, auf die Nutzer Inhalte hochladen können. Urheberrechtlich geschützte Werke sind massenhaft auf diesen Online-Plattformen zu finden. Gemessen an den Nutzungszahlen sind diese Online-Plattformen heute die dominanten Akteure im Online-Markt. Gemessen an den Nutzungszahlen sind diese Plattformbetreiber heute die dominanten Akteure im Online-Markt.
Das wirtschaftliche Gewicht der Online-Plattformen ist enorm
Das Marktvolumen von Plattformdiensten wird heute allein in Europa auf 22 Mrd. Euro geschätzt. Bei bestimmten Plattformen geht ein beträchtlicher Anteil der Einnahmen
direkt auf die Nutzung von kulturellen Inhalten zurück – wobei indirekte Effekte noch nicht einmal berücksichtigt sind. Bei Videoplattformen beläuft sich dieser Anteil nach Berechnungen von
Roland Berger auf bis zu 66 Prozent.
Die Geschäftsmodelle der Plattformbetreiber basieren häufig darauf, die Nutzer so lange wie möglich innerhalb ihrer geschlossenen Systemen zu halten. Die Möglichkeit, auf kreative Inhalte zuzugreifen und diese zu teilen ist von entscheidender Bedeutung, um Nutzer zu gewinnen und an sich zu binden. Auf diese Weise bauen die Plattformen ihre Dominanz im Markt weiter aus, die sich auch in hohen Börsenbewertungen der Unternehmen widerspiegelt.
Plattformen machen sich fremde Inhalte zu eigen
Viele Plattformdienste basieren hauptsächlich auf von Nutzern hochgeladenen Inhalten (user uploaded content) oder dem Aggregieren bestehender Inhalte. Dabei werden diese häufig nach inhaltlichen Kriterien sortiert, kategorisiert, empfohlen, teilweise mit eigenen Inhalten kombiniert – vor allem aber vermarktet und durch Werbung direkt wirtschaftlich verwertet. Insofern profitieren Plattformbetreiber in erheblichen Maß von der Zugänglichmachung von kreativen Inhalten. Kurzum: Die Plattformbetreiber machen sich fremde Inhalte zu eigen.
Die unklare Rechtslage wird ausgenutzt, um Urheber nicht zu vergüten
Im Gegensatz zu lizenzierten Content Providern vergüten Plattformdienste die Schöpfer der Werke jedoch entweder überhaupt nicht oder deutlich unter Wert, obwohl der Erfolg ihrer Geschäftsmodelle maßgeblich von der Vermarktung dieser Inhalte abhängt. Die Plattformbetreiber berufen sich auf eine unklare Rechtslage, um sich ihrer urheberrechtlichen Verantwortung zu entziehen:
- Sie verstecken sich hinter der Haftungsprivilegierung für Host-Provider (d.h. sie behaupten, keine Inhalteanbieter, sondern lediglich Speicherplatzanbieter zu sein).
- Sie behaupten, dass sie an der urheberrechtlich relevanten Handlung der „öffentlichen Zugänglichmachung“ von Inhalten nicht beteiligt seien und wälzen damit die Verantwortung auf die Uploader ab.
Eine Haftungsprivilegierung kann jedoch nicht mehr gerechtfertigt sein, sobald sich der Geschäftszweck einer Plattform auf die Vermarktung kreativer Inhalte erstreckt und der Betreiber an deren Verwertung wirtschaftlich partizipiert. Eine solche Anwendung geht über das ursprünglich vom Gesetzgeber vorgesehenen Ziel hinaus, das zu einer Zeit formuliert wurde, als die meisten der heute relevanten Plattformen in ihrer jetzigen Ausprägung noch nicht existierten.
Wertetransfer schadet Kreativschaffenden und Content Providern
Diese als
Value Gap oder
Transfer of Value bezeichnete Fehlentwicklung schadet nicht nur den Kreativschaffenden. Die nicht-lizenzierten Plattformen treten darüber hinaus in direkte Konkurrenz zu lizenzierten Anbietern von digitalen Inhalten (Content Provider). Das verzerrt den Wettbewerb und senkt den Wert von kreativen Inhalten im Online-Bereich allgemein ab. Die Entwicklung eines von kultureller Vielfalt und fairem Wettbewerb geprägten digitalen Binnenmarkts für kreative Inhalte wird dadurch massiv behindert.
Kreativschaffende appellieren an die europäische Politik
Über 22.000 Kreativschaffende, darunter mehr als 3.000 aus Deutschland, haben sich im Sommer 2016 an der Online-Petition
Make Internet Fair beteiligt.
Die Unterzeichner weisen auf die unhaltbare Situation hin, dass bestimmte Online-Plattformen die Schöpfer der Werke entweder überhaupt nicht oder deutlich unter Wert vergüten. An die Europäische Kommission richten sie den eindringlichen Appell, im Zuge der anstehenden Modernisierung des EU-Urheberrechts eine angemessene Vergütung kreativer Leistungen im Internet sicherzustellen und rechtliche Schlupflöcher für Online-Plattformen zu schließen.
Bundesregierung und Bundestag unterstützen europäischen Ansatz
Im Hinblick auf die anstehende Modernisierung des EU-Rechtsrahmens hat sich die Bundesregierung im April gemeinsam mit Frankreich dafür
ausgesprochen, „die Rolle neuer Akteure wie Plattformen und Vermittler zu berücksichtigen und eine angemessene Entlohnung der Urheber sicherzustellen“.
Auch der Bundestag hat im Juni dafür
plädiert, die Frage der „Verantwortlichkeit von Intermediären und Plattformen“ bzw. der „Beteiligung an digitaler Wertschöpfung“ auf EU-Ebene anzugehen.
EU-Parlament sieht Handlungsbedarf bei Online-Plattformen
Das EU-Parlament hat die Kommission bereits vor einem Jahr mit deutlichen Worten
aufgefordert, im Zuge der anstehenden Urheberrechtsreform „Lösungen für die Verlagerung der Wertschöpfung von Inhalten auf die Dienste auszuarbeiten“. Konkret schlägt das EU-Parlament vor, die „Bestimmungen über die Haftung von Dienstleistungserbringern und Vermittlern zu überprüfen, um ihren rechtlichen Status und ihre Haftung in Bezug auf Urheberrechte klarzustellen, […] um sicherzustellen, dass Urheber und Rechtsinhaber in der EU eine gerechte Vergütung erhalten“.
Im Juni haben Europaabgeordnete verschiedener Fraktionen dieser Forderung in einem
Schreiben an die Kommission erneut Nachdruck verliehen.
Vorschläge der Kommission zum Urheberrecht sind ein erster wichtiger Schritt
Am 14. September hat die Kommission ihre
Pläne zur Modernisierung des Urheberrechts vorgestellt, inklusive eines Vorschlags für eine neue EU-Richtlinie über den Urheberrechtsschutz im digitalen Binnenmarkt.
In der begleitenden
Folgenabschätzungsstudie analysiert die Kommission im Detail, wie die derzeitige Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Verantwortlichkeit von Online-Plattformen Rechteinhabern schadet und den Wettbewerb mit lizenzierten Anbietern von digitalen Inhalten verzerrt (siehe insbesondere S. 137 ff).
Die GEMA hat die Vorschläge der Kommission als ersten wichtigen Schritt zu einem fairen Ausgleich zwischen Urhebern und Online-Plattformen
begrüßt. Die Vorschläge werden nun im Europäischen Parlament und von den Mitgliedstaaten (Rat der EU) beraten.
Klarstellung der Verantwortlichkeit von Online-Plattformen
Am Ende des nun von der EU-Kommission eingeleiteten Prozesses sollte die unmissverständliche Klarstellung stehen, dass Plattformen wie z.B. YouTube oder Dailymotion an der öffentlichen Zugänglichmachung von urheberrechtlich geschützten Inhalten beteiligt sind und sich nicht hinter den Haftungsprivilegierungen für Host Provider verstecken dürfen, die für rein passive Dienste gedacht sind.
Von einem level playing field würden alle profitieren
Eine Konkretisierung der Verantwortlichkeit von Online-Plattformen in Bezug auf Urheberrechte würde allen Beteiligten nutzen. Kreativschaffende würden endlich an den Einnahmen beteiligt, die mit ihren Werken erzielt werden. Online-Dienste und Start-ups würden von einem
level playing field profitieren, auf dem sich die attraktivsten und innovativsten Anbieter durchsetzen. Davon würden auch Nutzer und Fans profitieren, die sich zudem sicher sein könnten, dass die von ihnen geschätzten Künstler und Kreativen am Ende nicht leer ausgehen.