Portabilität von Online-Inhalten: Chancen und Risiken der neuen EU-Verordnung
In den kommenden Wochen wird im Europäischen Parlament und im Rat der EU über den Verordnungsvorschlag zur Portabilität von Online-Inhalten beraten, den die Kommission im Dezember 2015 vorgelegt hat. Die Initiative ist Teil eines breit angelegten Maßnahmenpakets im Rahmen der EU-Strategie für den digitalen Binnenmarkt, mit dem der grenzüberschreitende Zugang zu Inhalten (und Waren) über das Internet verbessert werden soll.
Worum geht es beim Thema Portabilität von Online-Inhalten?
In der EU gibt es heute eine Vielzahl an Online-Diensten, die Verbrauchern einen legalen Zugang zu kreativen Inhalten bieten. Einen aktuellen Überblick gibt die Kommission in der begleitend zu der Verordnung veröffentlichten Folgenabschätzungsstudie (Impact Assessment Study). Bei Aufenthalten im EU-Ausland kann es jedoch vorkommen, dass Nutzer keinen oder nur eingeschränkten Zugriff auf die von ihnen abonnierten Online-Dienste haben – vor allem bei Anbietern audiovisueller Inhalte. Mit ihrem neuen Vorschlag zielt die Kommission darauf ab, die grenzüberschreitende Portabilität dieser Inhalte zu verbessern.
Vorschlag der Kommission für eine Verordnung zur Portabilität
Der Vorschlag der Kommission sieht im Wesentlichen vor, dass die Anbieter von Online-Inhalten verpflichtet werden sollen, ihren Abonnenten die Nutzung dieser Inhalte auch während eines vorübergehenden Aufenthalts im EU-Ausland zu ermöglichen. Voraussetzung ist, dass es sich entweder um einen Bezahldienst handelt oder der Online-Dienst den Wohnsitz der Abonnenten überprüft. In solchen Fällen soll künftig der „Wohnsitzmitgliedstaat“ des Abonnenten als Ort der urheberrechtlich relevanten Handlung betrachtet werden.
Herausforderungen bestehen vor allem im audiovisuellen Bereich
Wie die Kommission in ihrer Folgenabschätzung herausarbeitet, wird die Portabilität von Online-Inhalten in vielen Bereichen (wie zum Beispiel Musik, E-Books oder Computerspiele) bereits gewährleistet. Herausforderungen bestehen vor allem im audiovisuellen Bereich, wo die gebietsexklusive Vermarktung eine entscheidende Rolle bei der Refinanzierung der entsprechenden Inhalte (Filme, Serien oder Sportübertragungen) spielt. Der Verordnungsvorschlag selbst unterscheidet jedoch nicht zwischen jenen Bereichen, in denen Portabilität eine Herausforderung darstellt, und solchen Bereichen, in denen die Vergabe von paneuropäischen Lizenzen bereits eine Realität ist.
Im Musikbereich sind paneuropäische Lizenzen bereits eine Realität
Im Musikbereich werden paneuropäische Lizenzen bereits angeboten und von Online-Diensten auch genutzt. Mit der EU-Richtlinie über die kollektive Rechtewahrnehmung wurde gerade erst ein rechtlicher Rahmen für die europaweite Rechteklärung im Online-Bereich geschaffen, der aktuell im Rahmen des neuen VGG in deutsches Recht umgesetzt wird. Auf Grundlage dieser Bestimmungen arbeiten Verwertungsgesellschaften wie die GEMA derzeit intensiv am Aufbau europäischer Lizenzierungsplattformen, die die europaweite Rechteklärung für Online-Dienste weiter vereinfachen werden.
Verbesserte Portabilität – weniger Anreiz zum Erwerb von paneuropäischen Lizenzen?
Die paneuropäische Lizenzierung von Online-Diensten bietet Verbrauchern den Vorteil, dass ihnen unabhängig von ihrem Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort jederzeit der volle Zugang zu den entsprechenden Inhalten ermöglicht wird. Die Möglichkeiten der paneuropäischen Lizenzierung gehen insofern deutlich über die Möglichkeiten im Rahmen der Portabilität hinaus. Bei der Ausgestaltung der neuen EU-Verordnung sollte daher darauf geachtet werden, dass die erweiterten Möglichkeiten im Rahmen der Portabilität nicht den Anreiz für Online-Dienste vermindern, echte paneuropäische Lizenzen zu erwerben und ihre Inhalte einem europaweiten Publikum anzubieten.
Fokus auf Bereiche, in denen tatsächlich Herausforderungen bei der Portabilität bestehen
In der Begründung zu der neuen Verordnung weist die Kommission darauf hin, dass der vorliegende Vorschlag „nicht über das zur Lösung der genannten Probleme erforderliche Maß hinaus“ gehen soll. Um unbeabsichtigte negative Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der paneuropäischen Rechteklärung zu vermeiden, sollte im weiteren Verfahren insbesondere klargestellt werden, dass sich der Anwendungsbereich der neuen Verordnung auf jene Bereiche beschränkt, in denen bisher aus welchen Gründen auch immer keine paneuropäischen Lizenzen zur Verfügung stehen.
Klarstellung der zentralen Begriffe und Verfahren sinnvoll
Im Gegensatz zu einer Richtlinie gilt eine Verordnung unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten. Um gerade beim Thema grenzüberschreitende Portabilität eine möglichst einheitliche Umsetzung der neuen Regelungen zu gewährleisten, sollten die vorgeschlagenen Begriffe und Verfahren möglichst genau definiert werden. Bei dem zentralen Begriff des „vorübergehenden Aufenthalts“ oder bei der Frage des zur Feststellung des „Wohnsitzmitgliedstaats“ anzuwendenden Verfahrens erscheinen daher Klarstellungen sinnvoll. Dies würde auch dazu beitragen, das Konzept der Portabilität deutlich von der paneuropäischen Rechteklärung abzugrenzen, die langfristig gerade für Verbraucher deutlich weitreichendere Möglichkeiten bietet als Regelungen zur Portabilität dies können.