Value Gap: Warum EU-Parlament und Rat die Vorschläge der Kommission unterstützen sollten

Auf EU-Ebene stehen in den kommenden Tagen und Wochen wichtige Entscheidungen zum Urheberrecht an. Werden Kreative endlich in die Lage versetzt, ihre Rechte gegenüber den Online-Giganten durchzusetzen? Oder können diese weiterhin den Großteil der mit kreativen Inhalten erzielten Gewinne abschöpfen, ohne die Urheber angemessen zu beteiligen?

Derzeit wird im Europäischen Parlament über den Richtlinienentwurf zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt diskutiert, den die Kommission im September 2016 vorgelegt hatte. Darin wird ein Anliegen aufgegriffen, auf das Urheber, Künstler und Kreativschaffende seit Jahren mit Nachdruck hinweisen: die Frage der fairen Beteiligung an der Wertschöpfung, die Online-Plattformen mit der Nutzung kreativer Inhalte generieren.

Noch im Juli stehen in den beteiligten Ausschüssen des Europäischen Parlaments wichtige Entscheidungen an, die richtungsweisend für die im Oktober vorgesehene Abstimmung im federführenden Rechtsausschuss sein werden. Eine Abschwächung der Vorschläge im weiteren Verfahren kann daher nicht ausgeschlossen werden.

Plattformbetreiber nutzen rechtliche Schlupflöcher aus, um Urheber nicht zu vergüten

Verbrauchern steht heute ein vielfältiges Online-Musikangebot zur Verfügung. Streaming-Diensten wie Spotify, Deezer oder Apple Music, die Lizenzen für die Inhalte erwerben, stehen dabei sog. „User Uploaded Content“-Plattformen wie YouTube, Soundcloud oder Dailymotion gegenüber, auf die Nutzer Inhalte hochladen können. Urheberrechtlich geschützte Werke sind massenhaft auf diesen Online-Plattformen zu finden.

Obwohl zahlreiche Online-Plattformen eine aktive Rolle bei der Verbreitung und Verwertung von urheberrechtlich geschützten Inhalten spielen, berufen sich die Plattformbetreiber regelmäßig darauf, selbst keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung vorzunehmen bzw. als angeblich reine Infrastrukturanbieter unter das Haftungsprivileg für Host-Provider zu fallen.

Value Gap schadet Kreativen und lizenzierten Online-Diensten

So wird eine Lizenzierung der Inhalte entweder gänzlich verweigert oder die Plattformbetreiber  bieten lediglich Vergütungen „auf freiwilliger Basis“ an. Es liegt jedoch auf der Hand, dass die Rechteinhaber ohne den Hebel einer verbindlichen Vergütungspflicht nicht auf Augenhöhe mit den Plattformbetreibern verhandeln und insbesondere keine zeitnahe Lizenzierung erreichen können.

Dies schadet nicht nur allen Kreativschaffenden, sondern verzerrt auch den Wettbewerb mit den zahlreichen lizenzierten Anbietern von digitalen Inhalten (wie z.B. Spotify, Deezer oder Apple Music). Entsprechend gering fällt auch bei diesen Diensten bisher die Vergütung für Urheber aus.

Die Reform des EU-Urheberrechts stellt eine Chance dar, diese als Value Gap oder Transfer of Value bezeichnete Fehlentwicklung zu korrigieren und endlich gleiche Spielregeln („level playing field“) für die Anbieter von kreativen Inhalten im Online-Bereich zu schaffen.

Die Vorschläge der EU-Kommission zum Value Gap

Vor diesem Hintergrund unterbreitet die EU-Kommission in ihrem Richtlinienentwurf über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt konkrete Vorschläge, die auf eine Klarstellung der Verantwortlichkeit von Online-Plattformen abzielen:

  • Die Kommission stellt klar, dass Online-Plattformen, die von Nutzern hochgeladene Inhalte speichern und bereitstellen, nicht lediglich technische Dienstleistungen erbringen, sondern eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung vornehmen (Erwägungsgrund 38 Abs. 1).
  • Darüber hinaus knüpft die Kommission an die vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Kriterien („L’Oréal gegen eBay“) an und will eine Berufung auf die Haftungsprivilegierung für Host-Provider ausschließen, wenn diese Online-Plattformen eine aktive Rolle einnehmen (Erwägungsgrund 38 Abs. 2).

Klarstellung der Verantwortlichkeit von Online-Plattformen ist dringend erforderlich

Die Klarstellungen der EU-Kommission zielen darauf ab, dass sog. „User Uploaded Content“-Plattformen wie YouTube, Soundcloud oder Dailymotion eine rechtliche Pflicht zum Abschluss von Lizenzvereinbarungen und damit zur Vergütung der Urheber trifft.

In der Praxis würde dies tendenziell dazu führen, dass mehr Inhalte auf den Plattformen zur Verfügung stehen und weniger Sperrungen vorgenommen werden müssen. Urheber würden im Gegenzug eine fair auszuhandelnde Vergütung erhalten.

Die Vorschläge der EU-Kommission zur Klarstellung der Verantwortlichkeit von Online-Plattformen sind deshalb ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Am Ende wird es aber darauf ankommen, dass die Vorschläge im Europäischen Parlament und im Rat Unterstützung finden, wo derzeit über den Richtlinienentwurf diskutiert wird.

Weiterführende Informationen

Europaweite Online-Petition der Kreativschaffenden an die EU

Sonderausgabe des GEMA-Newsletters Juli 2017

Themenseite „Online-Plattformen“ auf gema-politik.de

„Transfer of value explained“ auf der Webseite von GESAC/authorsocieties.eu

Rechtswissenschaftliches Gutachten von Dr. Agnès Lucas-Schloetter (LMU München)

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