EU-Urheberrecht: Wertetransfer von Kreativschaffenden zu Plattformbetreibern stoppen
In der digitalen Welt wird heute mit kreativen Inhalten eine erhebliche Wertschöpfung erzielt. Wirtschaftlich profitieren bisher vor allem Plattformbetreiber, die sich – unter Berufung auf fragwürdige Behauptungen – ihrer Verantwortung entziehen, Urheber angemessen für die Nutzung ihrer Werke zu entlohnen. Europäische Autorengesellschaften, darunter die GEMA, zeigen Lösungen auf, wie dieser Wertetransfer (“transfer of value”) von Kreativschaffenden zu Plattformbetreibern gestoppt werden kann. Urheberinnen und Urheber müssen endlich fair an der Wertschöpfung in der digitalen Wirtschaft beteiligt werden.
Lizenzierte Content Provider vs. Plattformbetreiber
Kreative Inhalte sind ein Motor für neue Geschäftsmodelle und Innovationen im Online-Bereich. Verbrauchern steht heute ein größeres und vielfältigeres Angebot an legalen Online-Diensten zur Verfügung als je zuvor. Mit dem Wachstum und der Entwicklung des Marktes kam es in den letzten zehn Jahren jedoch zu einer zunehmenden Spaltung bei den Diensten. Lizenzierten Anbietern von digitalen Inhalten (Content Provider) wie Spotify, Deezer oder iTunes, die Lizenzen für die Inhalte erwerben, stehen Plattformbetreiber wie YouTube, TuneIn oder Dailymotion gegenüber, die Urheber entweder überhaupt nicht oder deutlich unter Wert vergüten. Gemessen an den Nutzungszahlen sind diese Plattformbetreiber heute die dominanten Akteure im Online-Markt.
Das wirtschaftliche Gewicht der Online-Plattformen ist enorm
Das Marktvolumen von Plattformdiensten wird heute allein in Europa auf 22 Mrd. Euro geschätzt. Bei bestimmten Plattformen geht ein beträchtlicher Anteil der Einnahmen direkt auf die Nutzung von kulturellen Inhalten zurück – wobei indirekte Effekte noch nicht einmal berücksichtigt sind.
Die Geschäftsmodelle der Plattformbetreiber basieren häufig darauf, die Nutzer so lange wie möglich innerhalb ihrer geschlossenen Systemen zu halten. Die Möglichkeit, auf kreative Inhalte zuzugreifen und zu teilen ist von entscheidender Bedeutung, um Nutzer zu gewinnen und an sich zu binden. Auf diese Weise bauen die Plattformen ihre Dominanz im Markt weiter aus, die sich auch in hohen Börsenbewertungen der Unternehmen widerspiegelt.
Plattformen machen sich fremde Inhalte zu eigen
Viele Plattformdienste beruhen hauptsächlich auf von Nutzern hochgeladenen Inhalten oder dem Aggregieren bestehender Inhalte. Dabei werden die Inhalte häufig nach inhaltlichen Kriterien selektiert, kontrolliert, sortiert, empfohlen, teilweise mit eigenen Inhalten kombiniert – vor allem aber vermarktet und durch Werbung direkt wirtschaftlich verwertet. Insofern profitieren Plattformbetreiber in erheblichen Maß von der Zugänglichmachung von kreativen Inhalten. Kurzum: Die Plattformbetreiber machen sich fremde Inhalte zu eigen.
Die unklare Rechtslage wird ausgenutzt, um Urheber nicht zu vergüten
Im Gegensatz zu lizenzierten Content Providern vergüten Plattformdienste die Schöpfer der Werke jedoch entweder überhaupt nicht oder deutlich unter Wert, obwohl der Erfolg ihrer Geschäftsmodelle maßgeblich von der Nutzung dieser Inhalte abhängt. Dieser Kontrast ergibt sich aus einer unklaren Rechtslage bezüglich der Anwendbarkeit der „Safe-Harbour“-Regelungen (gemeint sind hier Haftungsprivilegierungen für bestimmte Intermediäre aus der E-Commerce-Richtlinie) auf urheberrechtlich relevante Handlungen von Plattformdiensten. Infolgedessen vertreten die Plattformbetreiber den Standpunkt, rein technische Vermittler zu sein und die Schöpfer der Inhalte nicht vergüten zu müssen. Eine Haftungsprivilegierung kann jedoch nicht mehr gerechtfertigt sein, sobald sich der Geschäftszweck einer Plattform auf die Vermarktung kreativer Inhalte erstreckt und der Betreiber an deren Verwertung wirtschaftlich partizipiert. Eine solche Anwendung geht über das ursprünglich vom Gesetzgeber vorgesehenen Ziel hinaus, das zu einer Zeit formuliert wurde, als die meisten der heute relevanten Plattformen in ihrer jetzigen Ausprägung noch nicht existierten.
Wertetransfer schadet Kreativschaffenden und Content Providern
Der Wertetransfer hin zu den Plattformen schadet nicht nur den Kreativschaffenden. Die Plattformen treten darüber hinaus in direkte Konkurrenz zu lizenzierten Content Providern. Das verzerrt den Wettbewerb und senkt den Wert von kreativen Inhalten im Online-Bereich allgemein ab. Die Entwicklung eines von kultureller Vielfalt und fairem Wettbewerb geprägten digitalen Binnenmarkts für kreative Inhalte wird dadurch massiv behindert.
Modernisierung des europäischen Rechtsrahmens notwendig
Die Antwort auf die Herausforderungen des Wertetransfers liegt in der Modernisierung des europäischen Urheberrechts sowie einer Konkretisierung der Verantwortlichkeit von Plattformdiensten, die wirtschaftlich von der Verwertung kreativer Inhalte profitieren. Bei der anstehenden Neufassung der relevanten EU-Richtlinien im Rahmen der Strategie für den digitalen Binnenmarkt sollte insbesondere klargestellt werden, dass Plattformdienste, die an der öffentlichen Zugänglichmachung von kulturellen Inhalten beteiligt sind, sich in Bezug auf ihre das Urheberrecht betreffenden Aktivitäten nicht auf die „Safe Harbour“-Regelungen der E-Commerce-Richtlinie berufen können.
EU-Kommission und EU-Parlament sehen Handlungsbedarf
Die Europäische Kommission hat die Problematik des Wertetransfers in ihrer Strategie für den digitalen Binnenmarkt und ihrem Aktionsplan zum Urheberrecht klar benannt und entsprechende Maßnahmen angekündigt. Das Europäische Parlament hat die Kommission in seinem Bericht zur Modernisierung des EU-Urheberrechts („Reda-Bericht“) darin bestärkt, „Lösungen für die Verlagerung der Wertschöpfung von Inhalten auf die Dienste auszuarbeiten“. Konkret schlägt das EU-Parlament vor, die „Bestimmungen über die Haftung von Dienstleistungserbringern und Vermittlern zu überprüfen, um ihren rechtlichen Status und ihre Haftung in Bezug auf Urheberrechte klarzustellen, […] um sicherzustellen, dass Urheber und Rechtsinhaber in der EU eine gerechte Vergütung erhalten“.
Eine Lösung, die allen nutzt
Einer Konkretisierung der Verantwortlichkeit von Plattformdiensten in Bezug auf Urheberrechte würde allen Beteiligten nutzen. Kreativschaffende würden endlich an den Einnahmen beteiligt, die mit ihren Werken erzielt werden. Online-Dienste und Start-ups würden von einem level playing field profitieren, auf dem sich die attraktivsten und innovativsten Anbieter durchsetzen. Davon würden am Ende auch Nutzer und Fans profitieren, die sich zudem sicher sein könnten, dass die von Ihnen geschätzten Künstler und Kreativen am Ende nicht leer ausgehen.
Weiterführende Informationen
Brochure “Use of Cultural Content Online: From transfer of value to a fair ecosystem” (english)
Webseite von GESAC / authorsocieties.eu
Alle Blogbeiträge und Nachrichten zum Thema “Wertetransfer” finden Sie hier: #Online-Plattformen
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