3 Fragen an… Andreas Weidinger zu KI
Andreas Weidinger, wie sind Sie musikalisch tätig?
Ich bin schon seit meiner Schulzeit als Musiker aktiv – damals als Gitarrist in Bands und im Studio. Später, während meines Musikstudiums, war ich als Fagottist in verschiedenen Orchestern tätig. Mein eigentliches Ziel war jedoch immer, Filmmusik zu komponieren. Das mache ich inzwischen seit fast 30 Jahren. In dieser Zeit habe ich die Musik für rund 200 nationale und internationale TV- und Kinoproduktionen, Serien und Dokumentationen geschaffen – quer durch diverse Formate und Genres. Wenn es meine Zeit erlaubt, arbeite ich heute auch wieder verstärkt mit jungen Künstler:innen und Bands zusammen. Dabei unterstütze ich sie als Komponist und Produzent bei ihren ersten Schritten in die Musikbranche.
Sind Sie im Rahmen Ihrnes musikalischen Schaffens mit KI in Berührung gekommen?
Ja, ich beschäftige mich seit einiger Zeit intensiv mit den Entwicklungen im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) und werde das auch weiterhin tun. Allerdings ist es wichtig, genau hinzusehen, was tatsächlich als „KI“ bezeichnet wird. Der Begriff wird oft inflationär verwendet – häufig auch für einfache Automatisierungsprozesse oder maschinelles Lernen, das es schon lange vor dem aktuellen KI-Hype gab. Ein Beispiel sind Equalizer, die kanalübergreifend Frequenzkurven vergleichen und anpassen – eine Funktionalität, die gerne als „KI“ vermarktet wird, obwohl sie technologisch auf anderen Prinzipien basiert.
Wenn man den Begriff weit fasst, nutze ich nicht-generative-KI-Tools bereits seit Längerem im technisch-organisatorischen Bereich meiner Arbeit. Besonders hilfreich finde ich KI bei Recherchen, etwa beim Vergleich internationaler Gesetzgebung oder Satzungen von Verwertungsgesellschaften – auch wenn eine sorgfältige Prüfung der Quellen nach wie vor unerlässlich bleibt.
Generative KI in der Musik habe ich natürlich getestet. Ich bin durchaus geübt darin, präzise Prompts zu formulieren, aber weder der Workflow noch die Ergebnisse haben mich überzeugt. Daher habe ich solche Tools bisher weder in der Layoutphase noch in einer Produktion genutzt und sehe auch keinen praktischen Mehrwert darin. Nach meiner Erfahrung macht der Einsatz solcher Tools viele Prozesse eher komplizierter und zeitaufwändiger: Bis ich die richtigen Prompts gefunden habe, habe ich längst eine Melodie in mehreren Varianten komponiert und programmiert.
Ich glaube daher, dass Komponist:innen, die ihr Handwerk beherrschen und gut organisiert sind, weder inhaltlich noch zeitlich von generativer KI profitieren. Auch das Argument, generative KI könne bei Schreibblockaden helfen, überzeugt mich nicht. Ein Spaziergang an der frischen Luft oder das Hören inspirierender Musik auf einem Streaming-Portal meiner Wahl sind nach meiner Erfahrung deutlich effektiver. Darüber hinaus gibt es ein fundamentales rechtliches Problem: Praktisch alle Inhalte generativer KI sind nicht lizenziert und können daher für professionelle Produktionen gar nicht verwendet werden, auch wenn die Anbieter anderes behaupten.
Künstliche Intelligenz – Chance oder Risiko?
Diese Frage lässt sich nicht einfach mit „Chance“ oder „Risiko“ beantworten – dafür ist das Thema zu komplex. Es liegt auf der Hand, dass transformative Technologien wie Künstliche Intelligenz immer beides mit sich bringen: große Chancen und erhebliche Risiken. Entscheidend ist daher die gesellschaftliche Auseinandersetzung darüber, wie wir diese Aspekte gewichten wollen.
Die politischen, gesellschaftlichen und nicht zuletzt urheberrechtlichen Auswirkungen von KI werden noch viel tiefgreifender sein, als wir es heute absehen können. Deshalb halte ich eine breite öffentliche Debatte sowie klare Spielregeln für unverzichtbar. Die GEMA-KI-Charta ist hier ein wichtiger erster Schritt in die richtige Richtung, da sie das Thema aus einer ganzheitlichen Perspektive betrachtet.
Gleichzeitig sollten wir uns nicht unkritisch der Vorstellung hingeben, dass KI automatisch das Leben aller Menschen verbessern wird oder dass ihre Entwicklung allein durch Marktmechanismen gesteuert werden sollte. Denn eines ist klar: „There’s no such thing as a free lunch.“ Für jeden Fortschritt durch KI zahlt irgendjemand einen Preis – sei es durch Arbeitsplatzverluste oder andere gesellschaftliche Kosten.
Als Urheber:innen kennen wir diesen Mechanismus nur zu gut: Seit der globalen Digitalisierung erzielen digitale Plattformen Rekordumsätze mit unseren Inhalten, während wir immer härter darum kämpfen müssen, überhaupt an einer Wertschöpfung beteiligt zu werden. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass die GEMA sich als erste Verwertungsgesellschaft weltweit lautstark für eine faire und transparente Beteiligung von Urheber:innen im Bereich generativer KI einsetzt.
Andreas Weidinger ist Mitglied des Aufsichtsrats der GEMA (Komponist).
Fotocredit: Alexander Hegener