3 Fragen an… Moritz Eggert zu KI
Welche Bedeutung hat generative Künstliche Intelligenz für Musikautorinnen und Musikautoren? Wie gehen sie damit um? Welche Chancen und welche Risiken sehen Komponistinnen und Komponisten, Textdichterinnen und Textdichter in KI? In unserer Interview-Reihe befragen wir GEMA-Mitglieder zu ihren Berührungspunkten mit und ihrer Einschätzung zu (gen) KI. Den Auftakt macht Prof. Moritz Eggert, Präsident Deutscher Komponist:innenverband.
Herr Eggert, wie sind Sie musikalisch tätig?
Ich studierte Komposition und Klavier zunächst an Dr. Hochs Konservatorium (Komposition Klaus Kühnl) in Frankfurt anschließend an den Musikhochschulen in Frankfurt (Klavier Leonard Hokanson), München (Komposition Wilhelm Killmayer) sowie an der Guildhall School for Music and Drama in London (Komposition Robert Saxton).Ein besonderer Schwerpunkt meines musikalischen Schaffens liegt im Genre Musiktheater. Ich schrieb 19 abendfüllende Musiktheaterstücke, Kurzopern und zahlreiche Werke für Tanztheater und Ballett. Dabei arbeitete ich mit Künstler:innen wie Lotte de Beer, Hans Neuenfels, Helmuth Krausser und der Gruppe La Fura dels Baus zusammen.Für die FIFA WM 2006 schrieb ich ein „Fußballoratorium“ „Die Tiefe des Raumes“, wie auch die Musik für die Eröffnungszeremonie (Regie: Christian Stückl). Eine Collage aller 22 Mozart Opern „Vom zarten Pol“ für das Eröffnungskonzert der Salzburger Festspiele sorgte für kontroverse Reaktionen, ebenso wie mein „Fußballett“ für den Wiener Opernball 2008. Für das Pop-Duo 2raumwohnung schrieb ich neue Songs und Remixe mit Orchester.
1991 gründete ich mit Sandeep Bhagwati in München das aDevantgarde-Festival für neue Musik junger Komponisten. Seit Oktober 2010 habe ich eine Kompositionsprofessur an der Hochschule für Musik und Theater München inne.
Sind Sie im Rahmen Ihres musikalischen Schaffens mit KI in Berührung gekommen? Wenn ja, wie?
Da ich auch als Professor für Komposition tätig bin, halte ich es für wichtig, über technische Entwicklungen immer auf dem Laufenden zu sein. Gerade eben habe ich mit meinen Studierenden ein Projekt unter Einsatz von KI realisiert, in Zusammenarbeit mit dem Erfinder der Kompositions-KI „Ricercar“, Ali Nikrang, und der Konzertgestalterin Hanni Liang. In diesem Projekt entstanden mehrere gemeinschaftlich erstellte Kompositionen, in denen meine Studierenden auf die KI reagierten oder mit ihr arbeiteten. So entstand zum Beispiel ein „Klavierkonzert“, in dem der Klavierpart ausschließlich von KI, die Orchesterbegleitung von Menschen komponiert wurde, oder eine „Verhandlung“, in der die Studierenden versuchten, die KI mit möglichst verrückten „Prompts“ aus dem Konzept zu bringen. Das Konzert wurde sehr viel beachtet und mehrmals wiederholt, hier zum Beispiel ein Bericht des BR. Ich selbst habe bisher noch nicht mit KI gearbeitet und verspüre auch keinen starken Drang dazu, da mir das kreative Arbeiten zu viel Spaß macht und ich diesen Spaß nicht an eine Maschine abgeben will. Gleichzeitig finde ich es aber wichtig, die Entwicklungen zu verfolgen, darüber informiert zu sein und sie notfalls auch mitzugestalten, da KI nicht mehr verschwinden wird.
Künstliche Intelligenz – Chance oder Risiko?
Wie bei allen neuen Technologien: beides. Es ist durchaus vorstellbar, dass mit KI Werke entstehen können, die bisher z.B. an Komplexität so nicht vorstellbar waren. Wir müssen aber ebenso wie beim Einsatz von Internet und social media sehr darauf achten, dass wir grundsätzliche Fähigkeiten nicht verlernen. Wer zum Beispiel in der Lage ist, einen guten Text zu konzipieren und zu verfassen, wird mit ChatGPT diese Fähigkeiten nicht plötzlich verlieren. Wenn man aber von vornherein auf ChatGPT angewiesen ist, um überhaupt einen Einfall zu haben, werden auch die Texte mit ChatGPT schlechter. Ich sehe hier also durchaus Gefahren bei der Entwicklung ganz grundsätzlicher künstlerischer Talente – wenn wir sie nicht wie ein Sportler trainieren, verkümmern sie.
Wir haben es ja nach wie vor nicht mit echten „intelligenten“ Maschinen zu tun, sondern mit Algorithmen, die in der Lage sind, unvorstellbare Datenmengen zu amalgamieren, neu zusammenzusetzen und statistisch zu „verstehen“. Es gab bisher keinen einzigen neuen Einfall einer Maschine, sie greifen auf das Gesamtpotenzial menschlicher Einfälle zurück. Wir müssen daher dringend darauf achten, dass hier keine Ausbeutungsmodelle entstehen, die an Raubrittertum gemahnen. Konzerne, die menschliche Einfälle anderer massenhaft verwerten und damit Geld verdienen, dieses aber keineswegs an die Kreativen rückverteilen, sind schon jetzt eine Realität. Hier braucht es mehr Gerechtigkeit und strenge Regeln, die kreative Arbeit von Menschen weiterhin möglich macht, indem wir dafür vergütet werden. Das muss auch im Interesse der KI-Betreiber sein, denn KIs, die nur noch von KIs lernen, werden immer ineffektiver.
Fotocredit: Mara Eggert