3 Fragen an… Johannes Motschmann zu KI
Herr Motschmann, wie sind Sie musikalisch tätig?
Ich habe Komposition bei Jörg Herchet in Dresden, bei Wolfgang Rihm in Karlsruhe und bei Hanspeter Kyburz in Berlin studiert, außerdem Musiktheorie und Klavier. Seither arbeitete ich freischaffend als Komponist unter anderem mit dem Ensemble Modern, dem Mozarteumorchester Salzburg dem Scharoun Ensemble, dem Ensemble Adapter, der NDR Radiophilharmonie und dem SWR Sinfonieorchester. Einen Schwerpunkt meines Schaffens bildet die elektroakustische Musik. 2015 habe ich mit dem Multipercussionisten David Panzl und dem Tonmeister Boris-Alexander Bolles das Johannes Motschmann Trio gegründet und seitdem drei Studioalben veröffentlicht, auch mit dem Ziel, außerhalb der vertrauten Neue-Musik-Szene auftreten zu können. So führte uns der Weg von der Berghain Kantine, dem Reeperbahnfestival und dem Karneval der Kulturen bis zu den Salzburger Festspielen.
Sind sie im Rahmen ihres musikalischen Schaffens mit KI in Berührung gekommen?
Seit Sommer 2019 arbeitete ich im Experimentalstudio des SWR in Freiburg gemeinsam mit dem Musikinformatiker und Komponisten Thomas Hummel an der Software AION, mit der ich einen Abend für das Ensemble Modern und eine in Realzeit agierende Künstliche Intelligenz entwickelt habe. Die Uraufführung fand 2021 in Frankfurt statt. Im August 2024 erschien AION für großes Ensemble, künstliche Intelligenz und Live-Elektronik bei Berlin Classics. Das Thema begleitet mich also intensiv seit fünf Jahren, wenn man die Planungsphase mitrechnet seit 2018.
Künstliche Intelligenz – Chance oder Risiko?
Sowohl die Chancen als auch die Risiken sind ja längst unübersehbar: KI-generierte Musik hilft denjenigen, die sich für die Komposition von Musik keine Zeit nehmen wollen, oder die Arbeit von Komponist:innen (und ggf. Interpret:innen) nicht bezahlen wollen. Die Inflation von Musik, die mit der Möglichkeit, sie auf Knopfdruck zu erschaffen, einhergeht, entwertet ihre Resultate aber auch zugleich wieder. Das erhöht den Druck auf uns Kreative, Musik zu schaffen, die sich nicht so leicht mit KI-Software herstellen lässt, und sich damit von ihr abgrenzt – sonst ist sie auch entwertet. Das Eigene darf nicht vorhersehbar und damit imitierbar sein.
Spannend finde ich die Frage, wie gut es gelingt, KI in den eigenen Workflow zu integrieren, dafür ist Software wünschenswert, die nicht nur Readymades ausspuckt, so wie bei kommerziell ausgerichteten Programmen wie Suno, Udio etc. sondern die wirkliche Interaktion im Entstehungsprozess ermöglicht. Diese Ausdifferenzierung ist wiederum eine große Chance, Neues zu wagen und erweitert die Möglichkeiten zu Komponieren ins Unendliche.
Damit aber die finanzielle Situation für Komponist:innen, nicht durch die Omnipräsenz billiger KI-Musik immer prekärer wird, befürworte ich grundsätzlich alle Versuche Urheberrechte zu schützen und ihre Verletzungen zu ahnden, so mühsam es in diesem Feld auch scheint; gelingt uns das nicht, gehen die eigentlichen Urheber hinter der künstlich erzeugten Musik leer aus. Allerdings gilt das natürlich immer nur für die Nutzung von Programmen, die tatsächlich in ihren verarbeiteten Daten auf urheberrechtlich geschützte Inhalte rekurrieren. Es geht auch ohne uns.