„Klicktivismus“ und anonyme Massen-E-Mails
Herr Duderstädt, Sie sind Direktor der Politischen Kommunikation der GEMA. Die Reform des Urheberrechts ist im zweiten Anlauf durchs EU-Parlament durchgekommen. Wie groß ist die Erleichterung?
Es hat uns sehr gefreut, dass das Europäische Parlament am 12. September die Kompromisse des Berichterstatters Axel Voss unterstützt hat und den Bericht nun mit großer Mehrheit verabschiedet hat.
Das ist insofern eine große Erleichterung, weil es eine klare Entscheidung für die kulturelle Vielfalt Europas und für die Kreativschaffenden war. Der Wertekompass ist intakt, auch wenn einige Internetkonzerne und deren Sprachrohre sehr massiv versucht haben, die Richtung der Nadel mit starken Magneten zu manipulieren – um in diesem Bild zu bleiben.
Vor der ersten Abstimmung, die ja nicht im Sinne der Kreativen ausging, waren viele Politiker einer E-Mail-Flut ausgesetzt. Zigtausende Mails legten zum Teil die Büros lahm. Es gab auch Abgeordnete, die beleidigt wurden. Wie haben Sie diese Entwicklung wahrgenommen?
„Klicktivismus“ scheint eine neue Form der politischen Einflussnahme zu sein, der sich die Abgeordneten neben persönlichen Beleidigungen und Anfeindungen aussetzen mussten. Grundsätzlich gilt: Jedes Anliegen von betroffenen Akteuren im Rahmen von politischen Prozessen ist berechtigt und verdient eine kritische Würdigung. Hier wurden aber über spezielle Online-Tools automatisierte Massen-E-Mails mit demselben Inhalt an Abgeordnete geschickt. Bisweilen war nicht erkennbar, wer der Absender überhaupt war – geschweige denn, wer finanziell und organisatorisch hinter den Aktionen steckte. Für die demokratische Willens- und Meinungsbildung waren die letzten Wochen vor diesem Hintergrund eine große Herausforderung. Auch hier bedarf es einer klaren Aufarbeitung, nicht zuletzt mit Blick Richtung EU-Wahlen im Mai 2019.
Sie haben viel mit Politikern zu tun. Wie war die Stimmung im Vorfeld der Abstimmung?
Nicht jedes Thema, über das in Brüssel entschieden wird, genießt eine ähnlich breite Wahrnehmung in der Öffentlichkeit wie dieser Richtlinienprozess. Insofern waren sich die Abgeordneten bewusst, dass genau hingeschaut wird und die Entscheidung von vielen mit großer Spannung verfolgt wird. Sachkenntnis war am Ende ausschlaggebender als eine Impuls getriebene Politik. Eine interessante Randnotiz in diesem Zusammenhang: Im Vorfeld der Abstimmung haben die Kritiker Vertreter der Kultur- und Kreativwirtschaft und sogar Kulturpolitiker verstärkt als „Wirtschaftslobbyisten“ bezeichnet, während auf der anderen Seite eine Politik vertreten wurde, die allein den Online-Plattformen wirtschaftlich geholfen hätte.
Die Reform ist durchs Parlament gegangen. Legen Sie jetzt die Füße hoch?
Nach der Abstimmung im EU-Parlament ist vor den Trilog-Verhandlungen. Dabei treffen sich Vertreter aus EU-Parlament, Kommission und dem Europäischen Rat ab dem 2. Oktober zu Beratungen, um auf Basis der drei Versionen zur Richtlinie einen Kompromiss zu finden. Es geht also nahtlos weiter. Wir werden selbstverständlich weiterhin für die zentralen Aspekte der Urheberinnen und Urheber werben. Auch außerhalb dieser Verhandlungsrunde sehen wir großen Informationsbedarf bezüglich Artikel 13 und worum es im Kern dieser Regelung geht.
Sämtliche Informationen zum gesamten Prozess gibt es auf www.gema.de/fairguetung und auf der Seite der SOS-Initiative www.save-our-sound.de. Es darf nicht vergessen werden, dass es sich um eine EU-Richtlinie handelt, die nach Verabschiedung von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden muss.
Interview: Lars Christiansen