Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg bei der GEMA

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sprach anlässlich der GEMA-Hauptversammlung am 27.04.2016 in Berlin eine Keynote:

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Prof. Schneider,
sehr geehrter Herr Dr. Heker,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

Ich freue mich heute bei Ihnen sein zu können. Schließlich ist Hamburg eine echte Musikstadt – von Brahms über die Beatles bis zur Hamburger Schule und darüber hinaus. Das verpflichtet. Aktuell zeigen wir ja auch wieder mit einem etwas größeren Bauprojekt direkt am Hafen, dass wir Musik für einen ganz wesentlichen Teil unserer städtischen Kultur halten.

Wir freuen uns schon sehr darauf, dass wir am 11. und 12. Januar 2017 die Elbphilharmonie eröffnen werden. Wer sich das jüngst präsentierte Eröffnungsprogramm des ersten Halbjahres einmal angesehen hat, der kann erkennen, dass hier Großes passiert. Und dass alle miteinander sehr darauf geachtet haben, dass das Haus nicht nur künstlerisch exzellent, sondern immer auch gesellschaftlich relevant sein wird. Beides gehört zusammen und lässt sich nur verwirklichen, wenn man die Elbphilharmonie zu einem Haus für alle entwickelt und sich so auch darum kümmert, dass das musikalische Programm allen offen steht.

Das bedeutet auch, dass wir es ernst meinen, wenn wir sagen: Die Elbphilharmonie soll baulich, akustisch und programmatisch eines der besten Konzerthäuser der Welt werden.

Auch jenseits des großen Konzerthauses tut sich in der Musikstadt Hamburg einiges. Staatsoper und Laeiszhalle setzen mit ambitionierten Programmen wertvolle und notwendige Kontrapunkte. Außerdem ist es gelungen, den Bereich des Jazz mit der Ansiedelung des ECHO-Jazz und der Förderung mehrerer Jazz-Reihen merklich zu stärken.

Für den Bereich der Musikwirtschaft hat sich insbesondere das Reeperbahnfestival zu einem national wie international herausragenden Schwerpunkt entwickelt. Es findet in diesem Jahr bereits zum 11. Mal statt. Deutschlands größtes Clubfestival hat sich auch als die bedeutendste deutsche Plattform der Musikwirtschaft und ihrer Künstlerinnen und Künstler kontinuierlich entwickelt und etabliert. Seine längst auch international hohe Bedeutung wird durch die in diesem Jahr erstmals stattfindende „New York Edition“ weiter bekräftigt.

Hervorzuheben sind aber sicherlich auch die nach wie vor auf Länderebene einmalige „Hamburger Labelförderung“ sowie die Clubförderung insbesondere durch den „Live Concert Account“, welcher die Veranstaltung von Livemusik würdigt. Hinzu kommt die Clubstiftung, die sich die Stärkung privater Musikbühnen zum Ziel gesetzt hat. Derzeit entwickeln wir außerdem einen Musikstadtfonds, der die Bedingungen für Künstlerinnen und Künstler noch einmal verbessern soll.

Es ist diese oftmals kleinteilige aber sehr wertvolle Arbeit an konkreten Rahmenbedingungen, die dafür sorgt, dass sich eine alte und ehrwürdige Kaufmannsstadt auch im eigenen Selbstverständnis zu einer echten Musikstadt mausert. Und dabei an eine alte Tradition anknüpft.

Meine Damen und Herren,

wenn ich jetzt zunächst viel über Förderung und kulturpolitische Unterstützung gesprochen habe, dann ist das nur eine Seite der Medaille. Denn natürlich ist Musik immer auch von enormer wirtschaftlicher Bedeutung. Sie können sich sicher sein: Das wissen wir in einer Stadt, der das Kaufmännische so sehr in Genen liegt nur zu gut.

Damit sich diese wirtschaftliche Kraft aber auch am Markt realisieren kann, braucht es vernünftige regulatorische Rahmenbedingungen, die wir nationalstaatlich und europäisch schaffen müssen. Für mich ist dabei selbstverständlich, dass die Urheber in allen Konzeptionen hier eine zentrale Rolle spielen. Ein leistungsstarkes und durchsetzbares Urheberrecht ist die wesentliche Grundlage dafür, dass Geschäftsmodelle mit kreativen Produkten auch weiterhin möglich sein werden. Dafür braucht es starke Institutionen und Partner: Die GEMA vertritt in Deutschland die Urheberrechte von mehr als 70.000 Mitgliedern und ist somit die größte Verwertungsgesellschaft in Deutschland.

Sie steht daher auch ganz besonders in der Verantwortung mit Klugheit und Augenmaß für Regularien zu streiten, die gesellschaftlich akzeptiert werden und den Interessen der Urheberrinnen und Urheber gerecht werden.

Ich bin davon überzeugt, dass es uns angesichts der großen und dramatischen Umbrüche auf den Medien- und Kreativmärkten, die sich insbesondere aus der Digitalisierung ergeben, nur gemeinsam gelingen wird, sinnvolle Veränderungen anzustoßen.

Deswegen haben wir in Hamburg den Musikdialog geschaffen, der seit einigen Jahren unmittelbar vor dem Reeperbahnfestival rund 50 Verantwortliche aus allen Sparten der Musikwirtschaft im Hamburger Rathaus zusammenbringt, um das zu diskutieren, was die Branche bewegt.

Hier entwickelt sich eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit über die Branchengrenzen hinweg. Ein echter Schulterschluss der Musikwirtschaft entsteht, der es auch ermöglicht, interne Konflikte intern zu klären und nicht jedes Mal die Politik zum Schiedsrichter eigener Verteilungskämpfe zu machen.

Ein Meilenstein der Zusammenarbeit ist sicherlich die gemeinsame Beauftragung einer umfassenden Studie zur volkswirtschaftlichen Bedeutung der Musikwirtschaft, deren Ergebnisse im letzten Jahr in Hamburg präsentiert werden konnten.

Sie zeigen eindrucksvoll und auch für manchen aus der Branche selbst in ihrer Deutlichkeit überraschend, wie stark die Musikwirtschaft in Deutschland ist.

Ihre Teilbranchen haben im vergangenen Jahr insgesamt elf Milliarden Euro umgesetzt. Mit insgesamt 127.000 Selbständigen und Arbeitnehmern übertreffen sie die Erwerbstätigenzahlen jeder anderen Medienbranche.

Die Bruttowertschöpfung der Musikwirtschaft lag dabei 2014 mit rund 3,9 Milliarden Euro sogar über der von Filmwirtschaft, Radioveranstaltern, Buch- oder Zeitschriftenverlagen.

Die Musikwirtschaft leistet damit innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft einen bedeutenden Beitrag zur Einkommensentstehung.

Der Branche bietet sich mit der Studie die Chance, deutschlandweit als Schlüsselbranche der Kreativwirtschaft wahrgenommen zu werden. Das darf stolz machen, aber das bringt natürlich auch Verantwortung mit sich, wenn es darum geht, das Wechselspiel von Inhalten und Technologie politisch zu bearbeiten.

Meine Damen und Herren,

in jedem Fall sind die Ergebnisse der Studie eine gute Grundlage für die Diskussion über die Rahmenbedingungen für Urheberinnen und Urheber sowohl auf Bundes- als auch auf europäischer Ebene. Denn kreative Menschen sollen auch im digitalen Zeitalter gutes Geld verdienen können. Nicht nur in Hamburg sondern überall.

Dazu gehört, dass es weiterhin tragfähige Geschäftsmodelle gibt. Wir müssen deshalb das Urheberrecht sichern und zugleich weiterentwickeln, um Inhalte-Geschäftsmodelle auch in digitalen Umgebungen möglich zu machen: Wir brauchen ein Urheberrecht, das den Schutz des geistigen Eigentums sichert und die Verwertungsinteressen auch im digitalen Bereich garantiert. In Deutschland hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Urheberrechts, allerdings können die „Länder“ als Hüter der föderalen Vielfalt über den Bundesrat an der Gesetzgebung mitwirken, wenngleich im Urheberrecht meist nur eingeschränkt. Zu den aktuellen urheberrechtlichen Vorhaben des Bundes wird der Bundesjustizminister sicherlich gleich noch etwas sagen.

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass wir bei den Pendelschwüngen zwischen den Interessen der Kreativen und denen der Werkmittler noch etwas mehr Maß und Mitte finden müssen, weil ein Urhebervertragsrecht ja nur dann Sinn hat, wenn es die Urheber auch tatsächlich so strukturell stärkt, dass sie in Augenhöhe verhandeln können, ohne dass die Arbeit der Vermittler unverhältnismäßig belastet wird.

Meine Unterstellung ist nach wie vor, dass die Interessenkongruenz an dieser Stelle angesichts der technologischen Umbrüche unserer Tage größer sein müsste, als es gelegentlich von außen den Anschein hat. Darüber lohnte es in der gemeinsamen Arbeit sicherlich noch einmal nachzudenken.

Aber ich möchte mich hier auf die internationalen und europäischen Aspekte des Urheberrechts in einer digitalen Gesellschaft konzentrieren. Sie wissen, dass die EU-Kommission schrittweise die „Harmonisierung“ des Urheberrechts in den europäischen Mitgliedsstaaten hin zu einem modernen und einheitlichem europäischen Urheberrecht anstrebt und dazu bereits einige Gesetzesvorlagen vorgelegt und weitere angekündigt hat.

Wenn die EU solche Vorlagen macht, dann laufen diese ohne große Verzögerung über den Bundesrat auch auf die Länder zu. Dort haben die Länder daher eine Stellungnahme an die Kommission beschlossen, die auf einen Antrag unter der Federführung Hamburgs zurückgeht:

  • Wir begrüßen ausdrücklich das Ziel der Kommission, das Urheberrecht im europäischen Kontext an das digitale Zeitalter anzupassen. Dabei ist aber auch weiterhin auf einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber, Verwerter, Nutzer und Kultureinrichtungen zu achten.
  • Denn die kulturelle Vielfalt in den Mitgliedstaaten darf durch ein europäischeres Urheberrecht nicht beeinträchtigt werden. Eine angemessene Entlohnung der Kulturschaffenden muss auch im digitalen Zeitalter sichergestellt werden. Hierfür ist es erforderlich, dass eine breite Vielfalt von etablierten und innovativen Geschäftsmodellen nebeneinander bestehen kann.
  • Bezüglich der für das Frühjahr 2016 angekündigten Vorschläge zur Verbesserung des europaweiten Online-Zugangs zu urheberrechtlichen Werken sind die Länder im Übrigen der Auffassung, dass Geoblocking unter spezifischen Voraussetzungen gerechtfertigt sein kann, um urheberrechtliche Ansprüche durchsetzen zu können.
  • Ohnehin muss der besonderen Bedeutung von Medien- und Kulturgütern stets durch Sonderregelungen Rechnung getragen werden. Das gilt auch für die Besonderheiten nationaler Urhebergesetze zum Schutz von Medien- und Kulturpluralismus, wie etwa kollektive Abgaben zur Weiterverteilung an Urheber oder Schrankenregelungen für den breiten Zugang zu Inhalten. Auch die besondere Rolle der Europäischen Verwertungsgesellschaften ist selbstverständlich zu berücksichtigen.
  • Grundsätzlich begrüßt der Bundesrat auch, dass die Kommission eine Verordnung zur Gewährleistung der grenzüberschreitenden Portabilität von Online-Inhaltediensten im Binnenmarkt vorgelegt hat. Darunter fallen auch die Musikstreamingdienste. Aber auch hier können Sie sich sicher sein, dass die Länder darauf achten werden, dass die Interessen der Produzenten, Sender und Urheber der Inhalte berücksichtigt werden.

Jeder, der über diese Themen politisch diskutiert, weiß um die Notwendigkeit der Abwägung zwischen den verschiedenen Interessen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um die Nutzung von geistigem Eigentum geht, um die naturgemäß divergierenden Interessen von Textdichtern, Komponisten, Musikverlegern und denjenigen, die in der einen oder anderen Weise darauf zugreifen möchten, ohne dass es viel kosten soll. Ein Widerspruch, der sich im heutigen digitalen Zeitalter immer weiter zuzuspitzen scheint.

Es gibt hier noch manches zu diskutieren und ich denke, dass sich die Parlamentarier aller Parteien in Deutschland und Europa darin einig sein sollten, dass Sorgfalt vor Tempo geht. In Bezug auf eine konvergente Medienordnung bin ich aber grundsätzlich für eine einheitlichere Regelung des Urheberrechts auf europäischer Ebene. Ein vernünftig entwickeltes, einheitliches europäisches Urheberrecht ist grundsätzlich mehr wert als 28 unterschiedliche Regelungen in den Mitgliedsstaaten der EU. Es ist eine Voraussetzung dafür, dass wir einen europäischen Kulturraum und entsprechende Märkte schaffen können.

Auf dem Weg dahin aber kann es viele Fallstricke geben: Europaweite Lizenzen zum Beispiel bergen die Gefahr von schlechteren Konditionen, als sie eine separate Auswertung in verschiedenen Mitgliedstaaten erbringen würde. Außerdem kämen europaweite Lizenzen vor allem den marktstarken Verwertern zugute, die in der Lage sind, die entsprechenden Vergütungen zu zahlen. Eine solche europaweit einheitliche Regelung darf daher nicht dazu führen, dass der Schutz der Urheber und Rechteinhaber mehr und mehr ausgehöhlt wird.

Meine Damen und Herren,

die urheberrechtliche Diskussion, die ich hier nur anreißen konnte, steht ja nicht isoliert, sondern bettet sich ein in die grundsätzliche Gestaltung der Digitalisierung.

  • Die Struktur unserer Öffentlichkeit wandelt sich dramatisch. Zunehmend treten neue Intermediäre wie Google, YouTube, Amazon und Facebook als eigenständig sichtbare Marken zwischen Medienanbieter und Mediennutzer. Ein Aspekt ist dabei sicherlich die Haftung von Intermediären. Die von der GEMA in Hamburg und München angestrengten Verfahren gegen YouTube laufen auf den BGH zu und können hoffentlich einen Beitrag zur Klärung bislang offener Fragen leisten.
  • Ökonomisch betrachtet ist das Urheberrecht angesichts dieser Entwicklung eines der wenigen Gegengewichte, die verhindern, dass die Waage zwischen Inhalten und Technologie vollständig auf eine Seite kippt. Der Hinweis, dass derjenige, der etwas nutzt, auch dafür zu bezahlen hat, stimmt uneingeschränkt. Aber wenn wir das durchsetzen wollen, müssen wir künftig präziser werden und genau benennen können, wann eine Nutzung tatsächlich vorliegt.
  • Es geht um den fairen Ausgleich zwischen Urhebern, Werkmittlern und Nutzern. Jeder, der sich um das Urheberrecht kümmert, muss wissen, dass es die Grundlage aller relevanten kultur- und kreativwirtschaftlichen Geschäftsmodelle ist und bleiben wird. Das ist keine leichte, aber eine umso notwendigere Debatte. Und die Rahmenbedingungen dafür, sie sachlich und ergebnisorientiert zu führen, haben sich meines Erachtens in den vergangenen Jahren eher verbessert denn verschlechtert. Insofern freut es mich, dass sowohl die Bundesregierung als auch die EU- Kommission hier initiativ werden.

Daraus müssen wir gemeinsam etwas Gutes machen.

Schönen Dank!

http://www.hamburg.de/buergermeisterreden-2016/5909596/2016-04-27-gema-hauptversammlung/

 

 

 

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