Das URheberrecht entwickeln

Anliegen der GEMA für die 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages

Faire Spielregeln für das digitale Zeitalter

Die Digitalisierung schreitet in einem exponentiellen Wachstumsprozess voran und verändert unsere Gesellschaft. Sie hat auch die Zugangs- und Verwertungswege von Kunst und Kultur in wenigen Jahren grundlegend verändert. In allen Kultursparten wächst die Gefahr einer Entwertung des geistigen Eigentums. Wo in der analogen Welt Grenzen gezogen werden, muss es auch in der digitalen Welt Regeln geben, welche die Rechte der Urheber schützen. Die Frage nach der Gerechtigkeit im Netz und den ethischen Grundsätzen stellt sich aktuell immer wieder neu.

Als Teil der Musikwirtschaft gestaltet die GEMA den technologischen und kulturellen Wandel in der Musiknutzung mit. Dies umfasst nicht nur Fragen der Rechteverwertung/Lizenzierung, sondern schließt den gesellschaftlichen Diskurs ein. Mit einer Internet-Charta beteiligt sich die GEMA an einer gesellschaftlichen Debatte, die notwendig ist, damit das Auslegungsermessen und die Frage der Verteilungsgerechtigkeit im Rahmen der Digitalisierung nicht allein der Gerichtsbarkeit überlassen werden.

 

Verantwortlichkeit von Online-Plattformen

Online-Plattformen, die wirtschaftlich von der Verwertung kreativer Inhalte profitieren, müssen in die Pflicht genommen werden, die Schöpfer der von ihnen genutzten Werke an den Erträgen zu beteiligen.

 

Begründung: Mit der Nutzung kreativer Inhalte generieren Online-Plattformen erhebliche wirtschaftliche Erlöse. Davon profitieren bisher vor allem Plattformbetreiber, die sich darauf berufen, selbst keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung vorzunehmen bzw. unter das Haftungsprivileg für Hostprovider zu fallen. So wird eine Lizenzierung der Inhalte entweder gänzlich verweigert oder die Plattformbetreiber bezahlen lediglich deutlich unter der Marktüblichkeit liegende Vergütungssätze „auf freiwilliger Basis“. Verhandlungen auf Augenhöhe sind nicht möglich, solange die Online-Plattformen keine rechtliche Verpflichtung zur Vergütung der Rechteinhaber trifft. Darüber hinaus treten diese Online-Plattformen in direkte Konkurrenz zu den zahlreichen lizenzierten Anbietern von digitalen Inhalten (Content Provider) wie z.B. Spotify oder Deezer. Das verzerrt den Wettbewerb und senkt den Wert von kreativen Inhalten im Online-Bereich allgemein ab.

Der im September 2016 von der EU-Kommission vorgelegte Richtlinienvorschlag über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt zielt auf eine Konkretisierung ab, unter welchen Bedingungen Online-Plattformen eine Verpflichtung zur Vergütung der Rechteinhaber trifft und sie sich nicht auf die Haftungsprivilegierung für Host-Provider berufen dürfen. Aus Sicht der GEMA ist dieser Ansatz zu begrüßen, sollte aber in den weiteren Beratungen noch deutlicher zum Ausdruck gebracht werden. Am Ende des nun von der EU-Kommission eingeleiteten Prozesses sollte die unmissverständliche Klarstellung stehen, dass Plattformen wie z.B. YouTube an der öffentlichen Zugänglichmachung von urheberrechtlich geschützten Inhalten beteiligt sind und sich nicht hinter den Haftungsprivilegierungen für Host Provider verstecken dürfen, die für rein passive Dienste gedacht sind.

 

Technologieneutrale Ausgestaltung der Kabelweitersendung

Im Interesse von Urhebern, Verbrauchern und neuen Online-Diensten sollten die bestehenden Regelungen zur Kabelweitersendung (§ 20b Urheberrechtsgesetz) technologieneutral ausgestaltet werden.

 

Begründung: Die weiter fortschreitende technische Konvergenz der Übertragungswege eröffnet neben den Betreibern klassischer Breitbandkabelnetze neuen Marktteilnehmern die Möglichkeit, im Rahmen vergleichbarer Geschäftsmodelle sowohl kabelgebunden als auch kabellos Fernseh- und Hörfunkprogramme integral, d. h. zeitgleich, vollständig und unverändert, weiterzusenden. Die angestrebte funktionale Gleichstellung aller Sachverhalte der Weitersendung schafft gleichermaßen für Rechteinhaber wie für alle Marktteilnehmer Rechtssicherheit. Zum einen wird mit der Ausweitung der Verwertungsgesellschaftspflichtigkeit sichergestellt, dass die Urheber und Leistungsschutzberechtigten an den Zweitverwertungserlösen aller Weitersendeplattformen angemessen partizipieren. Zum anderen werden neue Marktteilnehmer mit den Anbietern traditioneller Weitersendetechnologien gleichgestellt und profitieren wie diese gleichermaßen von einer weitestgehend gebündelten Rechtelizenzierung. Damit entfällt zudem der Einwand einer Besser- oder Schlechterstellung der einen technischen Infrastruktur gegenüber der anderen.

Die EU-Kommission hat im September 2016 einen Vorschlag für eine Verordnung vorgelegt, die darauf abzielt, die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen technologieneutral auszugestalten. Dies stärkt die kollektive Rechtewahrnehmung und wird die Rechteklärung für die entsprechende Dienste erheblich vereinfachen. Der Anwendungsbereich der neuen Verordnung bleibt allerdings auf grenzüberschreitende Weitersendesachverhalte beschränkt. Inländische Sachverhalte bleiben unberührt, für sie würde weiterhin der Begriff der Kabelweitersendung nach § 20b UrhG gelten. Nach Inkrafttreten der Verordnung erscheint daher eine Anpassung der nationalen Regelungen zur (Kabel-)Weitersendung erforderlich, um eine Ungleichbehandlung inländischer Sachverhalte und ein Auseinanderfallen der Lizenzierungspraktiken zu verhindern.

 

Kollektive Rechtewahrnehmung: Follow-up zum VGG

Um eine effiziente Rechtewahrnehmung im Interesse von Rechteinhabern und Rechtenutzern zu gewährleisten, sollte eine hinreichende personelle Ausstattung der Schiedsstelle beim DPMA sichergestellt werden. Darüber hinaus sollte im Laufe der kommenden Legislaturperiode evaluiert werden, inwieweit sich die Regelungen des neuen VGG in der Praxis bewähren.

 

Begründung: Mit dem Verwertungsgesellschaftengesetz wurde ein zeitgemäßer Rechtsrahmen für die Wahrnehmung von Urheberrechten geschaffen. Gleichzeitig wurde damit die Aufsicht über Verwertungsgesellschaften modernisiert. Beim DPMA als Aufsichtsbehörde ist die Schiedsstelle angesiedelt. Um die Rechtewahrnehmung in der Praxis effizienter zu gestalten, wäre nun vor allem eine hinreichende personelle Ausstattung der Schiedsstelle zu begrüßen.

Die EU-Kommission wird die Anwendung der neuen Vorgaben für Verwertungsgesellschaften bis 2021 bewerten. Vor diesem Hintergrund sollte im Laufe der kommenden Legislaturperiode auf Bundesebene evaluiert werden, inwieweit sich die Regelungen des neuen VGG in der Praxis bewähren.

 

Urheberrechtliche Klarstellung des Begriffs der Öffentlichkeit

Der im Urheberrecht zentrale Begriff der Öffentlichkeit muss wieder in Einklang mit internationalen Abkommen gebracht werden.

 

Begründung: Da der Begriff der Öffentlichkeit im europäischen Urheberrecht eine zentrale Bedeutung hat (Nutzung von Musik in der Öffentlichkeit ist lizenzpflichtig), hängen davon eine Vielzahl weiterer wichtiger Fragen zur Nutzung geschützter Werke im analogen und digitalen Umfeld ab. Hier hat eine Reihe widersprüchlicher Urteile des EuGH die Frage aufgeworfen, ob das Verständnis des Öffentlichkeitsbegriffs im europäischen Urheberrecht noch mit den internationalen Abkommen und den WIPO Guidelines in Einklang zu bringen ist, die auf eine Mehrzahl von Personen außerhalb des Kreises der Familienangehörigen und engster Bekannter abstellen.

Die Bundespolitik sollte sich daher auf EU-Ebene dafür einsetzen, entsprechende Klarstellungen hinsichtlich Reichweite des Begriffs der Öffentlichkeit im europäischen Urheberrecht vorzunehmen.

 

Digitalisierung als Querschnittsaufgabe

Eine zukunftsweisende Politik ist gehalten,  in allen Politikfeldern  einen zukunftsfähigen Rahmen für die aktuellen Fragen der Digitalisierung herzustellen. Dieser Prozess darf hinter der technologiegetriebenen Entwicklung nicht zurückbleiben. Digitalisierung ist eine Querschnittsaufgabe, welche eine enge Vernetzung der jeweiligen Politikfelder und eine ressortübergreifende Zusammenarbeit erfordert. Dazu braucht es kein eigenständiges Ressort und keinen Internetminister.

 

Sicherung des kulturellen Auftrags der Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten

Eine Umsetzung des kulturellen Auftrags der Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten schließt eine entsprechende finanzielle Ausstattung und faire Vergütung für die Nutzung von Musik ein. Die Auswahl von Musik sollte nach inhaltlichen Aspekten und Qualitätskriterien und nicht nach rein wirtschaftlichen Erwägungen beim preiswertesten Anbieter erfolgen, d.h. keine Verwendung von Musik aus Lizenzmodellen ohne angemessene Urhebervergütung. Die Nutzung von GEMA-Repertoire garantiert, dass die Urheber und Musikschaffende angemessen an der Verwertung ihrer kreativen Leistung beteiligt werden.