3 Fragen an… Matthias Hornschuh zu KI

Matthias Hornschuh, wie sind Sie musikalisch tätig? 

Ich komponiere vor allem Musik für Geschichten, überwiegend für Kino und Fernsehen, aber ich habe auch ziemlich viele Hörspielmusiken geschrieben und produziert, die meistens Radio. Mit großer Begeisterung mache ich bei Gelegenheit Akustische Kunst, weil ich die absolute Freiheit sehr genieße, die es in dem Bereich gibt. Neben Sendevorspännen für TV und Radio und Soundtracks für Freizeitparks sind auch ein paar Songs von mir unterwegs; auf die wird man aber sicherlich eher zufällig stoßen.

Mein Hintergrund ist klassisch; ich habe schon während der Schule Geige an der Musikhochschule Detmold studiert. Später habe ich auch eine Weile Metal (Gitarre) und auch Theatermusik gemacht. Beides ist lange her.

Sind Sie im Rahmen Ihres musikalischen Schaffens mit KI in Berührung gekommen? 

Wer auf dem Weg ins Studio sein Navi benutzt, der verwendet eine Technologie, die heute in die ziemlich diffuse Kategorie KI einsortiert wird. Auch einige der in fast allen Studios vorhandenen iZotope-Tools laufen darunter. Dabei handelt es sich aber nicht um generative KI; mir scheint aber, dass sich eigentlich alle nennenswerten Konflikte und Sorgen derzeit um generative KI drehen — aus guten Gründen, denn diese Technologie steht geradezu synonym für einen ganzen Haufen dringlicher ethischer Probleme. Generative KI steckt in DeepL, in der LOGIC PRO-internen Stem-Separation, in automatisierter Masteringsoftware — und natürlich in ChatGPT und (Google) Gemini sowie auch hinter dem Anhebt des Musikgenerierungsdienstes Suno, der von der GEMA gerade verklagt wurde.

Während DeepL allenfalls die ethische Frage aufwirft, ob bzw. inwieweit man menschliche Übersetzung Maschinen überantworten möchte, sieht das bei Suno definitiv ganz anders aus. Das dem Angebot zugrundeliegende KI-Modell ist unlizenziert und unvergütet mit so gut wie allem trainiert worden, was bei YouTube und Spotify an musikalischem Repertoire zu finden ist. Das ist ethisch wie auch rechtlich hochproblematisch. Suno und seine Konkurrenten Udio und Boomy beginnen bereits jetzt, mit ihrem kommerziellen Angebot die Auswertung menschengemachter Musik zu erschweren. Das ist bei Weitem nicht alles, was uns Sorgen machen sollte; daher sind ja auch die Klagen der GEMA gegen OpenAI und Suno so wegweisend. Hoffen wir, dass viele weitere Rechteinhaber dem guten Beispiel folgen werden.

Um die Frage zu beantworten: Nein, ich nutze keine generative KI. Ich habe, um ehrlich zu sein, absolut keine Idee, wofür eine autonome Musikerzeugungssoftware überhaupt gut sein sollte, ob nun für mich oder für die Menschheit. Für mich ist das Musik-Machen der eigentliche Luxus, um das tun zu können, habe ich diesen Beruf gewählt. Warum sollte ich ausgerechnet diese Arbeit an einen Computer abtreten? Der soll für mich lieber die Buchhaltung machen oder meinetwegen den Studioboden saugen und wischen.

 

Künstliche Intelligenz – Chance oder Risiko?

Auf diese Frage liest man entweder glühende Glaubensbekenntnisse oder aber total vernünftige und super balancierte Antworten; wer will schon als Fortschrittsverweigerer dastehen?

Nun beschäftige ich mich aber seit zwei Jahren sehr intensiv mit generativer KI, mit deren Risiken und der zwingend nötigen Regulierung und je tiefer ich eintauche, desto klarer wird mir, dass die Risiken so eindeutig überwiegen und so enorm sind, dass ich immer mehr zur Fundamentalopposition neige. Der Preis, den Gesellschaft und Staat für den gegenwärtigen vollkommen überhitzten Hype zahlen werden, ist so hoch, dass es für uns alle gefährlich werden kann — gesellschaftlich, kulturell und ganz ausdrücklich auch wirtschaftlich. Und, nein, damit meine ich nicht, dass die KI so mächtig und leistungsfähig wird, dass sie uns entmachtet und verknechtet. Das  ist naive Science Fiction und hat mit der aktuellen Technologie schlicht nichts zu tun. Die ist nämlich alles andere als magisch, und sie ist definitiv nicht intelligent.

Aktuelle generative KI ist in ihrer Entwicklung im Wesentlichen ausgereizt. Dafür, dass sie dennoch beeindruckt, gibt es ein einfaches, aber nicht mehr weiter skalierbares Rezept: Brute Force. Die aktuellen kommerziellen generativen KI-Systeme sind streng genommen so etwas wie riesenhafte Autocomplete-Systeme — allerdings mit quasi unbegrenzten Ressourcen. Mit sämtlichem Risikokapital der Welt im Rücken spielen die Verbrauchskosten für Geld, Server, Strom und Wasser schlicht keine Rolle, während die schier unbegreiflichen Mengen von Daten, Werken und Aufnahmen den KI-Betreibern bislang im wesentlichen unvergütet zufließen. Ob rechtmäßig oder widerrechtlich, das werden Gerichte feststellen müssen; dass das unabhängig vom Recht ungerecht ist, liegt auf der Hand.

Mir geht es insofern eigentlich sehr viel weniger um die Technologie an sich als um die Menschen. Einerseits um die, die sie herstellen und vertreiben und andererseits um die, die mit ihr umgehen — und davon erkennbar vollkommen überfordert sind. Und natürlich geht es mir um die schöpferisch Tätigen in der Musik und jenseits davon.

Wer nicht weiß, was ein „Large Language Model“ (LLM) ist und wie es funktioniert, der wird ChatGPT womöglich ein Bewusstsein und die Fähigkeit rationalen Denkens zubilligen. Wer es weiß, der nicht. Und wer die Potenziale und Grenzen der Technik nüchtern einzuschätzen weiß, der dürfte mit der Technologie auch das Eine oder Andere gewinnbringend anzustellen wissen. Entscheidend ist, Rechner und Software Instrumente sein zu lassen und nicht selbst zum Instrument zu werden.

Eine Beobachtung zum Schluss: Generative KI scheint vorerst für avantgardistische Herangehensweisen ertragreicher und auch unproblematischer zu sein als für kommerziellen Pop oder die Welt der Filmmusik: Wo das Konzept zählt und Glitches nicht Fehler sondern vorgesehen sind, da gelten andere Parameter als da, wo berechenbare Steuerbarkeit und Präzision gefragt ist. Daher ist die Aufregung bei den Komponist:innen Neuer Musik auch weit geringer ausgeprägt als bei den übrigen Musikautor:innen.

Das kann wiederum als Hinweis verstanden werden, dass es – selbstverständlich, könnte man meinen – nicht darum geht, eine Technologie zu verbieten. Sondern darum, Spielregeln für den nachhaltigen Umgang mit ihr zu entwickeln. Und wenn ich eines Tages davon ausgehen kann, dass ein generatives KI-Modell nicht auf Diebstahl basiert, sondern ethisch und legitim ist, dann werde ich das vielleicht auch für mich ausprobieren, allerdings vermutlich auch dann noch eher zum Schaffen aufregender Klänge als für den Ersatz meiner eigenen schöpferischen Tätigkeit.

Matthias Hornschuh ist Mitglied des Aufsichtsrats der GEMA.

Foto: Sebastian Linder

 

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