Gastbeitrag Marco Wanderwitz

Gastbeitrag Marco Wanderwitz MdB

In der jüngsten Ausgabe von Politik & Kultur – der Zeitung des Deutschen Kulturrates – hat der Kultur- und Medienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marco Wanderwitz MdB über die Digitalisierung und ihre Konsequenzen für das Urheberrecht geschrieben. Mit freundlicher Genehmigung von Autor und PuK/Kulturrat hier der Artikel als “Gastbeitrag Marco Wanderwitz MdB”:

Eine Herzensangelegenheit

von Marco Wanderwitz – erschienen in Politik & Kultur, Zeitung des Deutschen Kulturrates

„Es gibt keine digitale Gesellschaft“, hat Lutz Hachmeister Anfang Juni in der Frankfurter Allgemeinen geschrieben. Eine Gesellschaft, die nur auf Technik und künstlicher Intelligenz basiert, aber ohne Menschen aus Fleisch und Blut auskommt, könne nicht funktionieren: „Die von vielen Geeks und Nerds geteilte Bitte um eine Entkörperlichung und Verflüssigung der Conditio humana wurde nicht erhört, weil ein technologisches System selbst keine Antworten gibt, bislang jedenfalls nicht über ‚Ask Google‘ hinaus.“

Man kann es auch anders formulieren: Unsere Gesellschaft, ob online oder offline, ist ohne Inhalte, neudeutsch content, nicht denkbar und nicht lebenswert. Damit diese Inhalte auch heute noch jemand erschafft, müssen sie einen Wert haben, neben dem geistigen auch einen materiellen. Aus diesem Grund ist mir als Kultur- und Medienpolitiker das Urheberrecht eine Herzensangelegenheit.

Die fortschreitende Digitalisierung nahezu aller Lebensbereiche stellt uns vor große Herausforderungen. Sie stellt die Errungenschaften unseres Urheberrechts immer wieder auf eine neue Probe. Deshalb ist der Schutz des geistigen Eigentums im Jahr 2015 wichtiger denn je – für Innovationen, Investitionen und neue Geschäftsmodelle in der Kreativwirtschaft. Deutschland besitzt kein Öl und keine Diamanten, sondern nur die Schaffenskraft seiner Bürgerinnen und Bürger. Das Urheberrecht ist für unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft und unsere Kultur- und Medienlandschaft daher von zentraler Bedeutung.

CDU und CSU haben sich schon immer – und ich möchte behaupten: in den letzten Jahren mehr als andere politische Wettbewerber – für den Erhalt und die Durchsetzbarkeit von Urheberrechten stark gemacht. Unser Credo ist ein fairer Interessenausgleich von Urheber, Verwerter und Nutzer – in dieser Reihenfolge! Rechts- sowie Kultur- und Medienpolitiker üben bei uns in dieser Frage den engen Schulterschluss.

Es lag nicht an der Union, dass in den letzten Jahren für den Schutz des geistigen Eigentums keine größeren Erfolge erzielt werden konnten. Dass die vergangene Wahlperiode des Deutschen Bundestages für das geistige Eigentum keine ganz verlorenen Jahre waren, ist – davon bin ich fest überzeugt – auf das neue Leistungsschutzrecht für Presseverleger zurückzuführen.

Vielfach angefeindet, ist dieses Gesetz besser als sein Ruf. Dass Gerichte die darin verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe (z. B. „kleinste Textausschnitte“) klären, ist übliche Rechtspraxis. Oft übersehen wird die hohe symbolische Bedeutung dieses Gesetzes. Als es 2013 in Kraft trat, war es das erste Mal seit Aufkommen der Netzpolitik nach dem kurzen Siegeszug der Piraten, dass die Urheber- und Leistungsschutzrechte ausgeweitet und nicht beschnitten wurden. Dass EU-Kommissar Günther Oettinger über die Einführung eines europäischen Leistungsschutzrechtes nachdenkt, unterstreicht die Berechtigung dieses Gesetzes.

Auf nationaler Ebene stehen im Urheberrecht vier große Reformprojekte in dieser Wahlperiode an. Wir nähern uns mit raschen Schritten der Halbzeit dieser vier Jahre. Daher wird es Zeit, dass Minister Maas nun zügig den ersten Gesetzentwurf vorlegt.

Andere waren schneller: Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat bereits im März ihre „Kulturpolitischen Forderungen für das Urheberrecht im digitalen Umfeld“ veröffentlicht. Darin hat sie zurecht eindeutig die Perspektive der Urheber eingenommen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt ihre Forderungen, die in der Maxime gipfeln: „Künstler und Kreative müssen von ihrer Arbeit leben – und nicht nur knapp überleben – können.“ Wie facettenreich das Thema ist, zeigen die zehn Forderungen der Staatsministerin. Darunter finden sich die gesetzliche Fixierung der Hostproviderhaftung, die Beseitigung bestehender Hindernisse für eine Selbstverpflichtung der Wirtschaft, auf illegalen Internetseiten keine Werbung zu schalten, oder die Verbesserung des Zugangs zur Online-Ausleihe in öffentlichen Bibliotheken.

Das erste nationale Reformprojekt wird die Umsetzung der EU-Richtlinie zu den Verwertungsgesellschaften in deutsches Recht. Das zentrale Ziel dabei muss lauten: Die deutschen Verwertungsgesellschaften dürfen im internationalen Wettbewerb gegenüber ausländischen Verwertungsgesellschaften nicht durch Überregulierung benachteiligt werden. Gleichzeitig wird es darum gehen, die hohen Standards der deutschen Regulierung beizubehalten. Das Regulierungsniveau der EU-Richtlinie liegt unterhalb des deutschen Wahrnehmungsrechts. Mit Interesse haben wir daher vernommen, dass das Justizministerium eine vollständige Neufassung des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes plant.

Verwertungsgesellschaften spielen eine wichtige Rolle für die Sicherung der kulturellen Vielfalt

Verwertungsgesellschaften spielen eine wichtige Rolle für die Sicherung der kulturellen Vielfalt. Als staatsferne Selbstverwaltungsorganisation von Künstlern sind sie gerade im digitalen Zeitalter unverzichtbar. Mit ihrem Sozial- und Kulturauftrag leisten sie überdies einen großen Beitrag für die Gesellschaft.

Seit Langem wird eine Reform des Urhebervertragsrechts angemahnt. Der Urheber steht im Mittelpunkt aller unserer Überlegungen. Daher bekennen wir uns zu dem Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, das Urhebervertragsrecht zu überarbeiten und eine Verbesserung der vertraglichen Stellung der Künstler und Kreativen zu erreichen. Dabei werden wir darauf achten, dass die Regelungen Investitionen von Verlegern und anderen Werkmittlern in geistiges Eigentum nicht erschweren, denn damit wäre auch den Interessen der Urheber nicht geholfen.

Unter den weiteren Reformvorhaben im Urheberrecht auf nationaler Ebene (dazu zählt noch eine einheitliche Bildungs- und Wissenschaftsschranke) ist uns Kultur- und Medienpolitikern der Union die sog. Hinterlegungspflicht besonders wichtig. Die Verfahren zur Festsetzung der Privatkopievergütung dauern oftmals viel zu lange. Es besteht das Risiko, dass Hersteller von Vervielfältigungsgeräten und Speichermedien, bis sie nach jahrelangen Verhandlungen zur Zahlung an die Urheber verpflichtet werden können, bereits insolvent bzw. nicht mehr belangbar sind. Ein unhaltbarer Zustand für die Kreativen! Wir brauchen daher eine Vereinfachung und Beschleunigung der Verhandlungen und eine Hinterlegungspflicht für gesetzliche Privatkopievergütungsansprüche.

Mindestens ebenso wichtige Weichen werden für die Urheber in Brüssel gestellt. Kommissar Oettinger hat für den Herbst diese Jahres seine Vorschläge zur Neufassung der Copyright-Richtlinie und einer stärkeren Harmonisierung des Urheberrechts angekündigt. Bereits auf dem Tisch liegt seit Anfang Mai seine „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa“.

Die Europäische Kommission macht darin auch Aussagen zum Geoblocking. Eine nach Territorien aufgeteilte Lizenzierung ist die Schlüsselbedingung für nachhaltige Investitionen in den Filmsektor und einen effizienten Vertrieb der Werke. Die Finanzierung des audiovisuellen Sektors beruht weitestgehend auf einem System territorialer Exklusivität. Muss diese fallen, ist eine Verarmung der kulturellen, insbesondere filmischen Vielfalt Europas zu befürchten. Daher sind wir optimistisch, dass die EU-Kommission das geplante Hintertürchen, Geoblocking nur zu verbieten, wenn es „ungerechtfertigt“ ist (so die KOM-Mitteilung), für den audiovisuellen Sektor weiter offen hält.

Ich finde es gut und wichtig, dass der Deutsche Kulturrat sich bereits seit Jahren vernehmlich für den Wert geistigen Eigentums stark macht. Hier sehe ich auch weiterhin ein ganz vordringliches Betätigungsfeld für den Kulturrat. Künstler und Kreative wissen dabei die CDU/CSU-Bundestagsfraktion an ihrer Seite. Wir werden uns auch in Zukunft für ein Urheberrecht einsetzen, das Urheber stärkt, Verwertern ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten sichert und auch die Interessen von Nutzern und Allgemeinheit angemessen berücksichtigt. Dabei hilft uns, wenn Künstler und Kreative ihre berechtigten Interessen selbstbewusst vertreten.

Marco Wanderwitz MdB

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